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12 - Wer die Wahrheit sucht

12 - Wer die Wahrheit sucht

Titel: 12 - Wer die Wahrheit sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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das Wasser spannte, während Paul seine Last zum Ostufer des Teichs schleppte, wo er und Mr. Guy bei der Arbeit gewesen waren.
    Bei dem Entenmassaker waren auch die Winterställe der Vögel zerstört worden, und in den Tagen vor dessen Tod hatten Paul und sein Gönner an ihrer Wiederherstellung gearbeitet.
    Mit der Zeit hatte Paul begriffen, dass Mr. Guy ihm nacheinander unterschiedliche Arbeiten zuwies, um herauszufinden, für welches Handwerk er sich am ehesten eignete. Paul hätte ihm gern gesagt, dass Schreinern, Mauern, Fliesenlegen und Anstreichen schön und gut seien, nur leider nicht das, was zu einer Karriere als RAF-Düsenjägerpilot führte. Aber er hatte sich nicht offen zu diesem Traum bekennen wollen und sich deshalb bereitwillig in jede Arbeit gestürzt, die ihm aufgetragen wurde. Die Stunden, die er in Le Reposoir verbrachte, waren Stunden fern von zu Hause, und das war ihm nur recht.
    Er legte das Holz und die Werkzeuge ein Stück vom Wasser entfernt nieder und nahm seinen Rucksack ab. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass Taboo in Sichtweite war, öffnete er den Werkzeugkasten und musterte den Inhalt, während er sich zu erinnern versuchte, was Mr. Guy ihn über das Bauen von Gegenständen gelehrt hatte. Die Bretter waren schon geschnitten. Das war gut, denn er war nicht sehr geschickt mit der Säge. Als Nächstes mussten die Sachen wahrscheinlich mit Nägeln zusammengefügt werden. Fragte sich nur, was wo angefügt wurde.
    Unter einer Schachtel mit Nägeln entdeckte er ein gefaltetes Blatt Papier, und ihm fielen die Skizzen ein, die Mr. Guy angefertigt hatte. Er ergriff das Papier, breitete es auf dem Boden aus und kniete sich davor, um sich die Pläne anzusehen.
    Ein großes eingekreistes A hieß, hier fängst du an. Das große eingekreiste B hieß, das folgt als Nächstes. Großes eingekreistes C war der Schritt, der auf B folgte, und so weiter und so fort, bis der Entenstall fertig war. Kinderleicht, dachte Paul. Er sah das Holz nach den Brettern durch, die den Buchstaben in der Skizze entsprachen.
    Aber da gab es ein Problem. Die Bretter waren nicht mit Buchstaben gekennzeichnet. Sie trugen Zahlen, und obwohl auf der Zeichnung auch Zahlen waren, stimmten sie nur teilweise miteinander überein, und alle hatten zusätzlich Bruchzahlen, und im Bruchrechnen war Paul eine absolute Niete. Er wusste nie, was die obere Zahl im Verhältnis zur unteren bedeutete. Er wusste, es hatte was mit Teilung zu tun. Unten geteilt durch oben oder umgekehrt, damit man den kleinsten gemeinsamen Nenner herausfand oder so was. Ihm schwirrte der Kopf, als er auf die Zahlen starrte, und er musste daran denken, wie furchtbar es jedes Mal war, wenn er an die Tafel gerufen wurde und die Lehrerin sagte: »Herrgott noch mal, du sollst den Bruch kürzen, Paul. Nein! Nein! Zähler und Nenner ändern sich, wenn du richtig teilst, du dummer Kerl!«
    Gelächter von allen Seiten. Paulie Fielder hat ein Brett vorm Kopf. Paulie Fielder hat ein Spatzenhirn.
    Paul starrte immer noch auf die Zahlen, starrte, bis sie verschwammen. Er packte das Blatt Papier und knüllte es zusammen. Dumm, dumm, hoffnungslos dumm. Ja, klar, fang an zu heulen, du kleine Schwuchtel.
    »Ah! Da bist du!«
    Paul wandte sich hastig um. Valerie Duffy kam den Fußweg vom Haus herunter. Ihr langer schwingender Rock streifte die Farne am Weg. Sie trug etwas akkurat Zusammengefaltetes auf ihren geöffneten Händen. Als sie näher kam, erkannte Paul ein Hemd.
    »Hallo, Paul«, sagte sie mit einer Munterkeit, die bemüht klang. »Wo ist denn dein vierbeiniger Freund heute Morgen?« Und als Taboo mit Begrüßungsgebell am Teichufer entlang herbeisprang, sagte sie: »Da bist du ja, Tab! Warum hast du mich nicht in der Küche besucht, hm?«
    Sie stellte die Frage zwar Taboo, aber Paul wusste, dass sie ihm galt. Sie unterhielt sich häufig auf diese Art mit ihm. Sie richtete ihre Bemerkungen immer gern an den Hund und tat das auch jetzt, als sie sagte: »Morgen ist die Beerdigung, Tab, und ich muss dir leider sagen, dass Hunde nicht in die Kirche dürfen. Aber wenn es nach Mr. Brouard ginge, wärst du dabei, Schatz. Und die Enten auch. Aber ich hoffe doch, unser Paul kommt. Mr. Brouard hätte es sich gewünscht.«
    Paul sah an seinen schäbigen Kleidern hinunter und wusste, dass er unmöglich zu der Beerdigung gehen konnte. Er hatte keinen richtigen Anzug, und außerdem hatte ihm kein Mensch was davon gesagt, dass die Beerdigung morgen war. Er fragte sich, wie das

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