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12 - Wer die Wahrheit sucht

12 - Wer die Wahrheit sucht

Titel: 12 - Wer die Wahrheit sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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wollte.
    Bei Cherokee war es so gewesen, dass er am Schwarzen Brett der Universität in Irvine eine Anzeige gesehen hatte - »von einem Anwalt in Tustin, wie sich herausstellte« -, in der es hieß, man suche einen Kurier zur Beförderung einer Sendung nach Großbritannien und sei bereit, neben zwei Flugtickets ein angemessenes Honorar zu bezahlen. Cherokee hatte sich beworben und war unter der Bedingung genommen worden, dass er »auf korrekte Kleidung und einen ordentlichen Haarschnitt« achtete.
    »Fünftausend Dollar Honorar«, schloss Cherokee aufgekratzt. »Wenn das kein guter Deal ist!«
    »Was?! Fünftausend Dollar?« China war augenblicklich misstrauisch. »Moment mal, Cherokee. Was ist das für eine Sendung?«
    »Baupläne. Deswegen hab ich ja bei dem zweiten Ticket sofort an dich gedacht. Architektur - das ist doch genau dein Ding.« Cherokee kehrte an den Tisch zurück, drehte den Stuhl herum und ließ sich diesmal rittlings darauf nieder.
    »Und warum bringt der Architekt die Pläne nicht selbst rüber? Oder mailt sie übers Internet? Dafür gibt's extra ein Programm, oder wenn der Empfänger es nicht hat, warum schickt er dann die Pläne nicht per Diskette rüber?«
    »Keine Ahnung! Ist mir auch egal. Fünf Riesen und ein Flugticket, China. Überleg doch mal.«
    »Eben!« China schüttelte den Kopf. »Das kann nicht sauber sein. Nein, auf mich brauchst du da nicht zu zählen.«
    »Hey! Wir reden von Europa. Big Ben. Der Eiffelturm. Das Kolosseum!«
    »Dann amüsier dich mal gut. Wenn du nicht vorher am Zoll wegen Heroinschmuggel verhaftet wirst.«
    »Glaub mir, die Sache ist total einwandfrei.«
    »Fünftausend Dollar, nur um ein harmloses Päckchen zu befördern? Das glaub ich nie.«
    »Mensch, China, sei nicht so. Du musst mitkommen.«
    In seiner Stimme schwang ein Unterton, der sich als Ungeduld zu tarnen suchte, aber zu Verzweiflung zu werden drohte, und China sagte argwöhnisch: »Was ist los, Cherokee? Sag mir die Wahrheit.«
    Cherokee zupfte an der Vinylkordel rund um den Rand der Stuhllehne. »Also, der Deal läuft nur, wenn ich mit meiner Frau reise.«
    »Was?«
    »Ich meine, die Tickets sind für ein Ehepaar. Das wusste ich erst nicht, aber als der Anwalt gefragt hat, ob ich verheiratet bin, hab ich ja gesagt, weil ich ihm angesehen habe, dass er darauf gewartet hat.«
    »Aber warum denn?«
    »Ist doch völlig egal. Merkt doch kein Mensch, dass wir kein Paar sind. Wir haben den gleichen Nachnamen. Wir sehen uns nicht ähnlich. Wir tun einfach so -«
    »Nein! Ich meine, warum muss ein Ehepaar das Päckchen rüberbringen? In ›korrekter Kleidung‹ und mit einem ›ordentlichen Haarschnitt‹. Damit sie nicht auffallen, sondern möglichst harmlos aussehen und auf keinen Fall Verdacht erregen? Mensch, Cherokee, jetzt schalte doch mal dein Hirn ein. Das ist garantiert eine Schmuggelgeschichte, und du landest im Knast.«
    »Du siehst wirklich überall Gespenster. Ich hab's nachgeprüft. Wir haben es mit einem Anwalt zu tun. Er ist echt, sag ich dir.«
    »Na klar, das erhöht mein Vertrauen ganz ungemein.« Sie verteilte kleine Karotten auf dem Tellerrand, streute eine Hand voll Kürbiskerne über den Salat, träufelte Zitrone darauf und trug den Teller zum Tisch. »Also, ich mach da nicht mit. Du musst dir schon eine andere Mrs. River suchen.«
    »Aber es ist niemand anders da. Und selbst wenn ich auf die Schnelle jemanden finden könnte - auf den Tickets muss River stehen, und der Pass muss mit dem Ticket übereinstimmen und... Komm schon, China.« Er hörte sich an wie ein kleiner Junge, der nicht glauben konnte, dass sein schöner Plan, von dem er geglaubt hatte, er ließe sich mit einem Abstecher nach Santa Barbara leicht verwirklichen, ins Wasser zu fallen drohte. Das war typisch Cherokee: Hey, ich hab eine Idee - und natürlich machten die anderen einfach mit.
    Aber China war dazu nicht bereit. Sie liebte ihren Bruder. Obwohl er der Ältere war, hatte sie ihn immer bemuttert, nicht nur in der Kindheit, sondern auch später noch, als sie beide Teenager gewesen waren. Aber so sehr sie Cherokee liebte, sie würde ihn keinesfalls bei einem Plan unterstützen, der zwar vielleicht leicht verdientes Geld, aber auch sie beide in Gefahr bringen würde.
    »Kommt nicht in Frage«, sagte sie. »Vergiss es. Such dir einen Job. Irgendwann musst du mal dem wahren Leben ins Gesicht sehen.«
    »Das versuch ich doch gerade.«
    »Dann such dir eine geregelte Arbeit. Früher oder später musst du das sowieso

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