120, rue de la Gare
Kriegsversehrten, jedenfalls nicht ohne Salz... Nur sagen Sie mir bitte offen und ehrlich: Hat der Mann Sie abgehängt, weil er was gemerkt hat? Oder war das eine Verkettung unglücklicher Umstände?“
„Gemerkt hat er nichts, Chef. Nicht, weil ich so geschickt war, sondern weil er nicht darauf gefaßt war, beschattet zu werden. Ohne diese verdammte Kontrolleurin und meine Blödheit...“
„Ja, ja, schon gut! Ich glaube, es war trotzdem nicht umsonst. Möglicherweise stattet er mir einen Besuch ab.“
Reboul fing wieder an zu lamentieren. Ich sagte ihm noch mal, er solle sich keine grauen Haare wachsen lassen. Mit eingezogenem Schwanz ging er nach Hause. Ich spielte noch etwas mit dem Telefon. Nach einigen Fehlversuchen erreichte ich Faroux. Ich kam gar nicht dazu, ihm zu sagen, daß ich meine Zeit nicht vergeudet hätte.
„Bleiben Sie, wo Sie sind!“ brüllte er mir ins Ohr. „Ich komme sofort.“
„Und Ihre viele Arbeit?“ fragte ich. „Sie scheinen ja mächtig aufgeregt...“
Er hörte mir schon gar nicht mehr zu. War bestimmt schon auf der Straße. Lächelnd stopfte ich mir eine Pfeife. Wenn der ruhige Faroux so energiegeladen war...
Kurz darauf läutete es an meiner Wohnungstür. Aber so schnell war der Inspektor nun doch nicht. Marc Covet stand vor der Tür.
„Mein erster Besuch gilt dem genialen Nestor Burma“, sagte er und stürzte sofort zum Heizkörper. „Scheißkälte, Scheißschnee, Scheißwinter! Der Crépu hat sich ‘ne schöne Zeit ausgesucht, um nach Paris zurückzukehren.“
„Ach! Dann erscheint ihr also wieder in Paris?“
„Ja. Lag schon seit ein paar Monaten in der Luft. Jetzt ist es soweit! ... Scheißwinter!“ fluchte er wieder.
„Kann man wohl sagen. Aber in Lyon ist es bestimmt auch nicht besser. Gibt’s was Neues?“
Marc setzte sich und verzog dabei das Gesicht.
„Ja“, sagte er, „‘ne komische Geschichte. Kann sich glatt mit denen aus Marseille messen. Also, die Flics von Lyon... Laden doch tatsächlich ‘ne Leiche aufs Kommissariat vor! Die unseres gemeinsamen Freundes Carhaix-Jalome...“
„Wirklich? Erzählen Sie... Sie können’s ja kaum erwarten.“
„Also, vorgestern erfuhr der brave Kommissar Bernier, daß der tote Gangster-Detektiv eine Vorladung aufs Kommissariat erhalten hatte. Was konnte der Kerl angestellt haben? Nichts natürlich... Oder vielmehr doch! Seine kriminelle Energie war auch post mortem noch wirksam! Die Vorladung bezog sich auf ein Vergehen gegen die Verdunkelungsvorschrift. Unser lieber Ertrunkene hatte sie in der Nacht vom 15. auf den 16. nicht beachtet. In der Nacht also, als er mich überfallen und dafür sofort seine gerechte Strafe bekommen hatte. Der zuständige Streifenpolizist behauptete, das verbotene Licht um zwei Uhr morgens gesehen zu haben. Aber wo war er zu der Zeit, unser Carhaix? In der Rhône, oder?“
„Genau da, seit rund neunzig Minuten.“
„Das hat Bernier dem Polizisten auch gesagt. Der Beamte war sich daraufhin nicht mehr so sicher, ob er sich nicht vielleicht getäuscht haben könnte. Entweder in der Etage, der Wohnung oder auch in der Uhrzeit
„Höchst interessant. Wenn er sich in der Uhrzeit getäuscht hat, dann hat er das Licht gesehen, das wir bei unserem Besuch angeknipst haben. In dem Fall sind wir ihm nur knapp entwischt...“
„Und wenn er sich nicht in der Uhrzeit getäuscht hat?“ fragte Covet lauernd.
„Sie sind erwachsen genug, um die entsprechenden Schlüsse zu ziehen“, erwiderte ich lachend. „Ich hab schon die ganze Zeit behauptet, daß in der Zeit zwischen dem Unfall auf dem Pont de la Boucle und unserem Besuch in der Wohnung sich jemand anders dort aufgehalten hat. Sie liefern mir jetzt den Beweis. Vielen Dank!“
Um seinen bohrenden Fragen auszuweichen, bot ich Covet ein Glas Rum an. Zu meiner großen Überraschung machte er eine abwehrende Handbewegung.
„Mineralwasser oder Saft, sonst nichts.“
„Machen Sie ‘ne Entziehungskur?“ fragte ich amüsiert.
Er ging ein paar Schritte auf und ab.
„Haben Sie nichts bemerkt?“ fragte er.
„Ja, Sie hinken leicht. Hatten Sie einen Unfall?“ erkundigte ich mich lachend.
„Und wenn schon? Was wär daran so lustig? Nein, es war der Pernod. Die Alkoholgesetze sind grade rechtzeitig gekommen, um mir das Leben zu retten. Hab ‘ne Art Alkoholrheumatismus oder so was in der Richtung. Seit zwei Jahren hab ich nichts mehr davon gespürt. Aber heute nacht im Zug hat’s mich wieder erwischt. Also, geben Sie mir Wasser
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