1200 - Operation Ikarus
war. Das zumindest hatte ihm der Professor erklärt.
Das Mädchen durfte auf keinen Fall unterschätzt werden.
Sein Gewehr lag bereit. Er brauchte es nur aus dem Wagen zu holen. Abschießen, die Leiche verschwinden lassen, das wäre am besten gewesen. Der Killer wünschte sich, dass es so laufen würde.
Manchmal suchte er den Himmel auch mit den bloßen Augen ab. Man hatte ihm mal gesagt, dass er den scharfen Blick eines Adlers hätte, und dem wollte er auch nicht widersprechen. In dieser Nacht allerdings hatte er bisher Pech gehabt, und das ärgerte ihn. Es konnte natürlich sein, dass der Professor und er falsch gedacht hatten und Carlotta sich nach ganz anderen Plänen bewegte.
Das wäre nicht so gut.
Wieder wollte er das Glas an die Augen setzen, als er stutzte.
War da nicht eine Bewegung am Himmel gewesen? Ein leichtes Schimmern, wie ein schnell gezogener Wolken- oder Federstrich.
Plötzlich wurde ihm kalt, obwohl er ruhig blieb. Sein Blick richtete sich auf die Stelle, an der es passiert war, aber da war nichts mehr zu sehen.
Er brauchte jetzt das Glas!
Und er spürte das Fieber in sich. Er kannte das Gefühl. Es trat immer dann ein, wenn er dicht vor dem Ziel stand. Noch nie hatte sein Gefühl getrogen, und auch in diesem Fall konnte er sich darauf verlassen.
Sie war da. Nur ein Hauch am Himmel, aber sie war zu sehen gewesen, sogar mit bloßem Auge.
Darauf verließ er sich nicht mehr und hob das Glas an.
Wieder rückten die Sterne näher, und wieder hatte er den Eindruck, dass die Dunkelheit lichter wurde. Er sah das Blau jetzt heller, beinahe schon wie am Tag und gratulierte sich zu dem Gerät.
Babur bewegte sich langsam. Klar, der Flüchtling schwebte nicht nur an einer Stelle. Das wäre auch völlig unnormal gewesen. Er hatte seine eigenen Pläne. Er würde auch tiefer sinken müssen, um ein Versteck zwischen den Häusern zu finden.
Obwohl Babur seine Objekt noch nicht wiedergefunden hatte, musste er zugeben, dass Carlotta - wenn sie es denn war - nicht direkt über der Stadt geschwebt hatte, sondern mehr über den Vororten, die teilweise in den Hügeln lagen.
Er hatte sie wieder!
Aus seinem Mund wehte ein trockenes Lachen. Es verhieß schon jetzt nichts Gutes.
Der Killer fasste sich in Geduld. Er schnalzte mit der Zunge und seine Augen bekamen den harten Glanz eines Jägers. Er sah Carlotta. Die Optik war gut genug. Er holte sie sogar nahe heran, um ihre Bewegungen zu beobachten.
Flugversuche hatte er miterlebt. Von den zittrigen Anfängen bis hin zur Lösung. So wusste er, wie geschmeidig sich das Mädchen bewegen konnte. Da stand sie einem echten Vogel in nichts nach.
Und jetzt?
Sie flog zwar, aber das war kein normales Fliegen mehr, denn sie bewegte ihre Schwingen taumelnd. Sie musste stark an Kraft verloren haben und nutzte jeden möglichen Aufwind auf, um sich nicht noch mehr zu verausgaben.
»Ich kriege dich!«, flüsterte Babur. »Ich kriege dich schon, Kleine, keine Sorge.«
Bis zur Innenstadt würde sie nicht mehr fliegen. Das schaffte sie einfach nicht. Da reichten die Kräfte nicht aus. Also musste sie sich zuvor einen Landeplatz suchen, und er sah auch, wie sie immer tiefer ging.
Dabei hatte sie das Land verlassen und flog über das Wasser hinweg.
Der Verfolger setzte das Glas ab. Er brauchte nicht lange zu suchen, denn er fand die Person auch mit dem bloßen Auge.
Sie schwebte einsam durch die Luft, sie sank dabei immer tiefer, und ihre Flügelschläge wurden matter.
Wenn er sie abschoss, dann nicht über dem Wasser. Carlotta zu bergen, wäre schwierig gewesen. Alles musste ohne Aufsehen über die Bühne laufen.
Das Präzisionsgewehr hatte er auf die Kühlerhaube gelegt.
Mit ruhigen Bewegungen nahm Babur es an sich. Es gab bei ihm keine Hast. Der Mann in der dunklen Kleidung wusste genau, wie er sich zu verhalten hatte.
Er drückte den Kolben gegen seine Schulter. Die Waffe war mit einem Zielfernrohr ausgerüstet und ebenfalls mit einem Restlichtverstärker. Das Fadenkreuz, der rote Punkt - perfekter konnte es nicht mehr sein. Babur war die Ruhe selbst. Er hatte auch gesehen, dass Carlo tta nicht mehr über das Wasser flog.
Sie schwebte jetzt in die Hügel hinein, wo auch Häuser standen.
Dort würde er sie schneller finden können. Am liebsten wäre es ihm gewesen, wenn sie sich auf einem Hausdach zunächst mal ausgeruht hätte. Da hätte er sie dann wunderbar treffen können. Leider tat sie ihm den Gefallen nicht.
Er blieb am Objekt. Eigentlich war sie nett.
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