1201 - Die Windjäger
dem Tempo zu spielen. Sie durften nicht zu schnell werden, da die Strecke an einigen Stellen feucht und rutschig war. Da lag das alte Laub als dicke Schicht auf dem Boden.
Enge Kurven. Zweige, die gegen den Wagen schlugen und oft auch die Fenster erwischten.
Maxine Wells hatte ihre Praxis. So einfach konnte sie sich nicht freinehmen. Über Handy rief sie ihre Mitarbeiterin Doris an und erklärte, dass sie erst am nächsten Tag wieder in der Praxis sein würde.
Doris fragte nicht nach den Gründen. Sie bot sich an, Notdienst zu machen. Damit war die Ärztin einverstanden.
»Gut, dass auch das erledigt ist«, sagte Maxine und atmete tief durch. »Auf Doris kann ich mich verlassen.«
»Da hast du Glück.«
»Man schaut sich die Leute eben an.«
Sie hatten mittlerweile die tieferen Regionen erreicht. Der Wald verdichtete sich.
Maxine und auch Rosy schauten öfter aus dem Fenster, um nach John und Carlotta Ausschau zu halten. Sie sahen sie nicht mehr. Es gab auch zu wenig Lücken, die eine freie Sicht ermöglichten.
Und so fuhren sie weiter in die Kurven hinein, die hier unten schon breiter waren. Verfolger oder Beobachter sahen sie nicht.
Es wirkte alles völlig normal, und es blieb auch so, denn niemand lauerte ihnen auf. Am Ende des Weges stoppten sie.
Doppelt so breit mündete er in die normale Straße, deren Asphalt einen feuchten Glanz bekommen hatte. Das hohe Gras, das in den Gräben wuchs, sah noch winterlich braun aus. Es würde noch einige Zeit dauern, bis sich das frische Grün wieder zeigte.
Suko bog nach links ab. Auf der asphaltierten Straße war es eine Freude zu fahren, auch wenn der Dunst etwas störte. Er war nicht so dicht, wie er von der Höhe her ausgesehen hatte.
Maxine drehte den Kopf. »Bist du okay, Rosy?«
»Ja.«
»Freut mich.«
Das Mädchen ha tte sich bereits zwischen den Sitzen unter der Decke versteckt. »Dauert es noch länger, bis wir da sind?«
»Nein.«
»Hm.«
Maxine spürte, dass Rosy etwas hatte. »Möchtest du aussteigen und dich hier irgendwo verstecken?«
Die Antwort klang gequält. »Das weiß ich eben nicht, Max. Ich weiß gar nichts mehr. Ich habe Angst.«
»Vor wem?«
»Vor diesem Mann!«
Damit hatte sie Babur gemeint. Maxine verstand sie. Auch ein Erwachsener würde Angst vor diesem brutalen Menschen haben.
»Er wird dir nichts tun«, sagte Maxine. »Wir haben Suko dabei, das darfst du nicht vergessen. Aber ich will dich nicht beeinflussen. Es ist einzig und allein deine Sache, ob du bei uns bleiben möchtest oder ob du dich lieber zurückziehst. Noch ist Zeit. Du kannst auch mit dem Bus nach Dundee zurückfahren. Er fährt zwar nicht auf dieser Strecke, aber bei der Herfahrt habe ich an einer Kreuzung eine Haltestelle gesehen. Wir könnten dich eben hinfahren.«
»Nein, ich bleibe bei euch und verstecke mich lieber.«
»Wie du willst.«
Es tauchten immer wieder Hinweisschilder auf, die dem Besucher die Firma näher brachten. Der Name HUMAN CHIP war nicht zu überlesen.
Die Tierärztin schüttelte den Kopf. »Kannst du dir denken, weshalb sie ihren Laden so genannt haben, Suko?«
»Nein. Ich glaube auch nicht, dass es einen menschlichen Chip gibt. Chips können nicht menschlich sein. Dahinter verbirgt sich der reine Zynismus.«
»Das finde ich auch.«
Vor ihnen erschien eine Kurve. Weil an der rechten Hangseite der Wald einen mächtigen Schatten warf, der auch die Straße erreichte, sah es aus, als würden sie in eine Höhle fahren. Sie rollten hinein - und sahen, dass die Straße endete. Das heißt nicht ganz. Sie führte an der rechten Seite der Anlage vorbei, aber sie war dabei wieder zu einem normalen Weg geworden, der mehr aussah wie ein Pfad für Spaziergänger.
Die Straße endete vor einem Tor, das weit offen stand.
Trotzdem konnte kein Besucher so einfach in das Gelände hineinfahren, denn hinter dem Tor war ein dicker, weiß angestrichener Schlagbaum herabgelassen worden. Links davon versperrte eine Mauer die Weiterfahrt, an der rechten Seite befand sich der kleine Betonbau, in dem so etwas wie eine Wachstube eingerichtet worden war. Auf dem Dach waren Kameras installiert.
Durch das Fenster schaute Suko in die Wachstube hinein. Es hielten sich dort mindestens zwei Männer auf. Er sah auch die Rückseite von zwei Monitoren.
Sie waren längst gesehen worden. Einer der Männer erhob sich von seinem Stuhl und ging zur Tür.
»Jetzt kommt es darauf an!«, sagte Maxine.
»Nervös?«
Sie lachte leise. »Die Ruhigste bin ich
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