1204 - Der erste Impuls
zwinkerte Gesil verschwörerisch zu. „Nach Perrys Entführung muß jemand das Heft in die Hand nehmen. Ich bin froh darüber, daß Gesil es getan hat - und stehe so hinter ihr, wie ich immer hinter Perry gestanden habe."
Zustimmendes Gemurmel wurde laut.
„Ich hatte eigentlich nicht vor, an die Stelle meines Mannes zu treten", sagte Gesil verlegen. „Eigentlich wollte ich nur ein bißchen Schwung in die Sache bringen."
„Was dir voll und ganz gelungen ist", stellte Gucky fest. „Wie der Dicke sagte, jemand mußte das Heft in die Hand nehmen. Wir alle werden dir helfen, die schwere Last der Verantwortung zu tragen, aber die Entscheidungen solltest du allein treffen. Oder ist jemand anderer bereit, die Verantwortung in seine Hände zunehmen?"
„Ich denke, niemand ist besser dazu geeignet als Gesil, denn sie hat die Initiative ergriffen, als wir alle nur herumgeredet haben und die Gefahr bestand, daß wir unsere Kräfte verzetteln", sagte der Armadaprinz.
Taurec und Vishna wechselten einen Blick, dann sagte der Kosmokrat: „So soll es sein."
„Warum so viele große Worte?" sagte Gesil.
„Ja, warum?" rief Bull. „Jeder hat seine Aufgabe. An die Arbeit, Freunde!"
„Und ich?" fragte Rhodans Frau ratlos.
„Du hast das Wichtigste bereits getan", erklärte Bull lächelnd. „Nämlich die Aufgaben verteilt. Ich schlage vor, du folgst auch weiterhin Perrys Beispiel und ziehst dich für einige Zeit in deine Kabine zurück, um nachzudenken."
Gesil seufzte.
„Ohne dich wäre ich verloren, Bully."
Der rothaarige Terraner schüttelte heftig den Kopf.
„Genau umgekehrt ist es. Wir wären ohne dich ein verlorener Haufen." Er ging zu Tschubai und streckte ihm die Hand entgegen. „Gehen wir, Ras!"
Innerhalb weniger Sekunden befand sich nur noch Gesil im Konferenzraum. Erst jetzt dämmerte ihr, welchen folgenschweren Schritt sie getan hatte, als sie wie selbstverständlich an die Stelle ihres Mannes getreten war. Sie fragte sich, warum Bully ihr nicht zuvorgekommen war. Die ganze Persönlichkeit dieses Mannes und vor allem sein Temperament hätten ihn eigentlich zu diesem Schritt prädestiniert - und für ihn wäre es im Grunde genommen nur die Wiederholung einer Handlungsweise gewesen, die er in der Vergangenheit tausendfach mit größter Selbstverständlichkeit praktiziert hatte.
Während sie den Raum verließ und auf das Transportband sprang, das sie zum nächsten Intern-Transmitter bringen sollte, begann sie zu ahnen, daß hinter Bullys Verhalten nicht das Bestreben gesteckt hatte, sich vor der Verantwortung zu drücken - denn das hätte völlig seinem Charakter widersprochen -, sondern die Überzeugung, daß sie sich am besten für die Meisterung der bevorstehenden Aufgaben eignete.
Sie teilte diese Überzeugung nicht, aber es lag nicht in ihrer Natur, auf einem einmal eingeschlagenen Weg umzukehren. In tiefes Nachdenken versunken, betrat sie die Transmitterstation und ließ sich in die unmittelbare Nähe der Kabine abstrahlen, die sie gemeinsam mit ihrem Mann bewohnte - bewohnt hatte, wie sie sich wehmütig korrigierte.
Kaum hatte sich das Schott hinter ihr geschlossen, floß die Energie, die sie bislang vorangetrieben hatte, förmlich aus ihr heraus. Mit verschwimmenden Augen tastete sie sich zu der großflächigen Sitzgruppe, auf der sie sich so oft an Perry gekuschelt hatte. Sie kroch darauf, zog die Beine an den Leib, schlang die Arme um die Knie und ließ ihren Tränen freien Lauf.
„Oh, Perry!" flüsterte sie, als sie seine Stimme zu hören glaubte. „Warum kannst du nicht bei mir sein? Du ahnst ja nicht, wie sehr ich dich brauche!"
„Ich brauche dich auch, Gesil", wisperte Perrys Stimme.
Gesil schluchzte laut auf. Die vermeintliche Halluzination verstärkte ihren Schmerz und ihre Sehnsucht um ein Vielfaches.
„Aber ich bin keine Halluzination!" flüsterte ihr Mann.
Gesil durchfuhr es gleich einem elektrischen Schlag. Ein Sturm widerstreitender Gefühle und Gedanken durchtobte sie, als sie fast furchtsam den Kopf hob.
Sie wußte nicht, was sie zu sehen erwartet hatte. An Wunder hatte sie nie geglaubt, und es gab eine Menge Dinge, die sie für absolut unmöglich hielt. Deshalb dachte sie zuerst an Autosuggestion, als sie ihren Mann wenige Schritte vor sich stehen sah.
Doch er stand nicht vor ihr - er schwebte Millimeter über dem Boden!
Der Gedanke an Autosuggestion zerstob. Sie begriff, daß sie sich zwar einbilden mochte, ihren Mann vor sich stehen zu sehen, aber sie wußte genau,
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