1206 - Das Blut der schönen Frauen
Zähne, die wie kurze Schwerter aus dem Oberkiefer hervorwuchsen.
Auch die übrigen Zähne waren nicht ohne. Ich wollte mit ihnen nicht unbedingt in Berührung kommen.
Es kam mir vor, als wollte uns das Wesen narren. Es flog nicht mehr, es stand schräg über dem Boot, um sich betrachten zu lassen. Durch die Optik sah es zum Greifen nahe aus. Ich hätte liebend gern meine Beretta gezogen, um einige Kugeln in den Körper zu jagen, aber ich hätte nie getroffen.
Dann die heftige Bewegung! Blitzschnell tauchte das Wesen ab und verschwand aus unserem Sichtbereich. Ich suchte noch ein paar Sekunden den Himmel ab, sah aber nichts mehr. Dann ließ auch ich das Glas sinken. Suko nickte mir zu.
Ich sagte zunächst nichts und strich Wasser aus meinem Gesicht. Erst jetzt fiel mir auf, dass wir keine Fahrt mehr machten. Das Polizeiboot schaukelte auf den Wellen, und vom Heck her glitten die Strahlen zweier Scheinwerfer in die Höhe, die sich zudem noch drehten, um einen größeren Radius ausleuchten zu können.
»Das ist es wohl gewesen«, flüsterte ich meinem Freund zu.
»Der Captain hat sich nicht geirrt.«
Als hätte er unsere Worte gehört, meldete er sich von der Brücke.
Seine Stimme erreichte uns über Lautsprecher oder Megaphon. »Wir dürfen uns gratulieren, meine Herren. Es ist tatsächlich gekommen. Aber so war es immer.«
Ich winkte zur Brücke hoch und gab zugleich das Zeichen, dass wir hochkommen wollten. Ich glaubte nicht, dass es noch etwas brachte, wenn wir weiterhin den Himmel absuchten. Die Fledermaus, der Vampir oder wer auch immer, hatte sich zurückgezogen.
Auf der Brücke erwarteten uns der Captain und sein Erster Offizier.
Beide Männer sahen nicht eben fröhlich aus, obwohl Amos Taylor so etwas wie ein Lächeln andeutete und dann zu uns sagte: »Ich denke, ab jetzt ist es Ihr Job.«
»Stimmt genau.«
»Einen Whisky auf den Schreck, Mr. Sinclair?«
»Nein, nein, lassen Sie mal. Ich komme auch ohne zurecht. Dass Sie uns nichts vorgemacht haben, war uns schon klar. Nur mit dem Wesen selbst haben wir unsere Probleme.«
»Wieso das?«
»Tja.« Ich hob die Schultern. »Im Prinzip ist das, was wir alle gesehen haben, ein Vampir. Zugleich aber gehe ich davon aus, dass es so etwas wie eine Mutation ist…«
»Also keine Fledermaus!«
»Nicht direkt.«
Amos Taylor blies die Luft aus. »Da bin ich echt überfragt, muss ich Ihnen gestehen.«
»Wir auch«, sagte Suko. »Haben Sie sich die Haut mal genauer angesehen?«
»So gut wie eben möglich.«
»Was ist Ihnen dabei aufgefallen?«
»Dass es sich nicht um eine normale Haut handelt. Und mir ist auch die grünliche Farbe nicht entgangen. Oder habe ich mich da geirrt?«
»Bestimmt nicht. Es kann die Haut von einem echsenähnlichen Geschöpf gewesen sein.«
Captain Taylor bekam große Augen, als er Sukos Erklärung hörte.
»Echsenähnlich? Was hat denn ein Vampir mit einer Echse zu tun?« Er winkte sofort ab. »Dumme Frage. Sie sind die Fachleute…«
»Die auch im Regen stehen«, sagte ich.
Taylor musste lächeln. »Da sind Sie auch überfragt, wenn ich Ihre Antwort richtig verstanden habe.«
»Im Moment schon.«
»Und was wollen Sie unternehmen?«
»Zunächst nichts. Es ist auch nicht möglich. Wir hätten die Gestalt nicht abschießen können. Sie war einfach zu weit entfernt. Aber ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sie sich nur in der Luft aufhält. Sie muss in der Gegend - und zwar am Boden - ein Versteck haben, und genau das müssen wir finden.«
Captain Taylor sah nicht eben glücklich aus und verströmte auch keinen Optimismus. »Da werden Sie einige Probleme bekommen, denke ich mir. So einfach ist das nicht. Kennen Sie die Gegend hier an der Themse-Mündung näher?«
»Kaum.«
»Da gibt es Verstecke genug. Ich würde Ihnen gern helfen, aber das kann ich leider nicht.«
»Das wird auch nicht nötig sein«, sagte Suko und sprach dabei in meinem Sinn. »Wir gehen weiterhin davon aus, dass wir es mit einem Vampir zu tun haben.«
Der Captain lachte. »Das sah man schon an den Zähnen.«
»Eben. Auch wenn Sie kein Vampir-Fachmann sind, Captain, wissen Sie sicherlich, was diese Wesen brauchen, um zu überleben.«
»Blut natürlich.«
Suko nickte. Er hatte mit einer Frage des Mannes gerechnet, doch Taylor hielt sich zurück. Das Thema schien ihm unangenehm zu sein.
Deshalb sprach er weiter. »Ich glaube nicht, dass der Vampir sich das Blut aus der Luft holt. Er wird irgendwo sein Versteck haben. Nicht auf dem Meer,
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