1207 - Ich komme aus der Hölle
war, hatte sie nicht zu Gesicht bekommen.
Weitere Vernehmungen konnte ich den Kollegen überlassen, die auch eintrafen, denn ich hörte außerhalb des Hauses die Anfahrt der Fahrzeuge.
Die Tür öffnete ich den Kollegen persönlich. Ich sah nur Tanner, und er sah mich.
»Tut mir ja Leid, aber…«
»Dir soll etwas Leid tun, John?«
»Ja.«
»Hör auf zu lügen.« Er blieb vor mir stehen und rückte seinen grauen Filzhut gerade. »Ich habe mit Suko gesprochen. Es ist wohl keine Übertreibung, was er uns mitgeteilt hat?«
»Nein, das ist es nicht.«
»Und es deutet alles darauf hin, dass ihr beide euch um den verdammten Fall kümmert?«
»Das tun wir doch gern, Tanner. Wir wollten, dass jemand wie du die Spurensicherung übernimmt und auch die Zeugen befragt. Ist doch nicht zu viel verlangt - oder?«
Tanner sagte nichts mehr, sondern ging wortlos an mir vorbei.
Sein Trupp folgte ihm.
***
Wir hatten Nick Forrester telefonisch erreicht, und er war so schnell wie möglich gekommen. Der Mann war knapp über und gehörte zu den Typen, die sich in der Internet-Gesellschaft so richtig wohlfühlten und sich im Outfit auch sehr cool gaben.
Er trug einen grauen Anzug, ein graues Hemd ohne Krawatte, perfekt geputzte Schuhe und hatte seine Augen durch eine Brille mit gelbgrünen Gläsern verdeckt. Diese Dinger waren ja auch modern geworden. Wer richtig in sein wollte, lief damit herum.
Forrester roch nach Deo und Rasierwasser. Sein dunkles Haar hatte er nach hinten gekämmt und mit irgendeinem Zeug eingeschmiert, damit es hielt. Der Dreitagebart machte ihn zum Latin Lover, aber seine Coolness verflog sehr schnell, als er von Suko und mir hörte, was mit seiner Partnerin passiert war.
»Und man hat sie wirklich umgebracht?«, fragte er. »Unten in unserem Studio?«
»Wir lügen Sie nicht an.«
»Darf ich Evelyn sehen?«
»Wenn Sie wollen, schon.«
Ich begleitete ihn die Treppe hinab. Wir umgingen behutsam die Blutflecken, die jeweils eine Spur waren und durch Nummernschilder gekennzeichnet wurden.
Im Studio arbeiteten Tanner und seine Männer. Er blickte nur kurz zu uns hin, als wir den Raum betraten. Die Leiche war noch nicht verändert worden. Nach wie vor hing sie wie ein großes X in den Ketten, und als Forrester seine Partnerin sah, da war es vorbei mit der Coolness. Er wurde bleich wie die berühmte Leiche, öffnete den Mund, stöhnte auf und drehte sich mit einer hektischen Bewegung um. Er rannte in sein Glasbüro, warf sich auf den Stuhl und presste beide Hände vor den Mund, um zu verhindern, dass er sich übergab. Er schaffte es und brach zum Glück nicht auf den Boden.
Ich war in der offenen Tür stehen geblieben und gab ihm Zeit, sich zu erholen. Unter dem Schreibtisch stand eine Flasche Whisky. Sie war so gut wie voll. Er löste den Verschluss und trank aus der Flasche. Da gluckerte sicherlich ein Dreifacher in seine Kehle hinein. Danach stellte er die offene Flasche zwischen zweien seiner Monitore ab, schaute zu mir hin und schüttelte den Kopf. Die Augen quollen ihm fast aus den Höhlen, und sein Atmen glich mehr einem Keuchen.
»O Scheiße!«, flüsterte er. »Verdammte Scheiße, wer tut denn so was? Das ist ja Wahnsinn!«
»Stimmt. Der Killer muss einen sagenhaften Hass gegenüber Ihrer Partnerin verspürt haben.«
Er lehnte sich zurück und presste für einen Moment die Fäuste gegen die Stirn. »Ich begreife es nicht, Mr. Sinclair. Ich kann es nicht begreifen!«
»Ja, das kann ich mir denken.« Ich glaubte ihm, dass er mir kein Theater vorspielte. »Aber Sie wissen sicherlich selbst, dass nichts ohne Grund geschieht.«
»Ja, das ist mir bekannt.«
»Auch für diesen Killer hat es ein Motiv gegeben.«
Nick Forrester stierte mich von der Seite her an. Er schüttelte dabei den Kopf. »Tut mir Leid, aber von mir können Sie keine klare Auskunft erwarten.«
»Sagen Sie das nicht. Immerhin sind Sie der Geschäftspartner der Toten gewesen.«
»Klar, das bin ich gewesen. Sie haben völlig Recht. Aber ich habe nichts mit dem Mord zu tun, verstehen Sie? Das ist nicht mein Ding, verdammt noch mal.«
»Davon mal abgesehen, Mr. Forrester, aber ohne Motiv ist das nicht passiert. Wie ich bereits sagte. Es muss etwas geben, dass den Mörder zu dieser Tat getrieben hat.«
»Ja, stimmt«, flüsterte er vor sich hin. »So weit kann ich auch denken. Aber ich kann Ihnen wirklich keinen konkreten Hinweis geben, Mr. Sinclair. Ich meine, wir waren zwar geschäftlich Partner, aber nicht privat. Da ist
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