1207 - Im Bann des Kraken
großen Pakete heran. Mehrere Bürger hoben es empor und banden es ihm auf den Rücken. Sie zogen Schnüre unter seinem Körper durch und banden sie mit den Riemen seiner Satteltaschen zusammen. Dann bugsierten sie ihn mit seiner Last die steile Treppe hinauf und hinaus in den Korridor.
Chulch wartete. Als er das Zeichen erhielt, stieg er in das Erdgeschoß des Turmes hinauf und trat hinaus auf die Straße. Ein Führer hielt sich in seiner unmittelbaren Nähe. Er zeigte ihm den Weg, und Chulch verstand nach kurzer Zeit, daß es hinausging aus dem Stadtzentrum.
Der Status-Eins-Bürger begann es zu bereuen, daß er so überhastet Treumann Gradunochs geworden war. Er war ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, und er mußte tun, was er von ihm verlangte. Daß Gradunoch das aufgrund ihrer Jugendfreundschaft nie ausnützen würde, war nur ein schwacher Trost, denn Chulch wurde den Gedanken nicht los, daß es ungesetzlich war, was sie taten. Sie versuchten, Starsen zu verlassen. Damit stellten sie sich automatisch gegen die bestehende Ordnung und machten sich die Herren über die einzelnen Stadtviertel schnell zu Feinden. Aber auch die Geriokraten und die Fratres konnten an einem solchen Versuch keinen Gefallen finden.
„Was auch immer geschieht", flüsterte Chulch zu sich selbst, „ich sehe Unheil auf uns zukommen. Man kann Starsen nur durch die Tore verlassen, durch nichts anderes!"
Als er endlich an seinem Ziel angelangt war, knurrte ihm bereits wieder der Magen. Er hatte lange nichts gegessen, und die Aufregung durch den Tod Gag Gag Gours hatte seine Magennerven zusätzlich erregt.
Jetzt kam die Ungewißheit an der Seite Gradunochs dazu.
Chulch sah, daß sein Führer auf ein Loch im Boden deutete. Es war so groß wie einer der größten Plätze und stellte eine Art Baustelle da. Vermutlich würde hier bald ein Gebäude errichtet werden. Das alte hatte man abgerissen.
Zwischen den Überresten im Boden bewegten sich Gestalten. Sie luden Pakete ab und packten sie aus.
Chulch fand die Rampe, die unter das Niveau der Straße führte, und schleppte seine Last in die Baugrube hinein, wo er sie an einem ganz bestimmten Platz ablegen mußte. Darauf kehrte er auf dem schnellsten Weg in den Turm zurück, um sich zu stärken und einen neuen Transport zu beginnen.
Über zehn Mahlzeiten lang arbeiteten Gradunoch und seine Helfer. Und das, obwohl Chulch nach jedem fünften Transport erst etwas zu sich nahm. Es dauerte lange, aber endlich war die Halle leer, und der Status-Zwei-Bürger klopfte seinem Treumann freundschaftlich gegen den Hals.
„Der Trick besteht darin, daß die Bewohner der Gebäude rings um das Loch glauben, daß wir die Arbeiter sind, die mit dem Bau beginnen. Nur wenige Bürger wissen, wann der Bau wirklich beginnt, und sie halten sich in weit entfernten Vierteln auf. Wir werden den Vogel unauffällig zusammenfügen und dann sofort den Probeflug antreten!"
„Was geschieht, wenn er mißlingt?"
„Er wird gelingen. Ich werde den Flugwagen zurücklenken und die ersten Passagiere aufnehmen. Nach und nach werde ich alle meine Helfer und Freunde hinüberschaffen!"
Chulch schwieg eine Weile.
„Wohin?" wollte er wissen. „Was liegt hinter der Mauer? Was ist über unserem gleichmäßig hellen Himmel?"
„Ich werde es dir berichten, sobald ich zum erstenmal zurückgekehrt bin", versprach Gradunoch. „Jetzt aber laß uns gehen, damit wir nicht zuviel Zeit verlieren. Der Probeflug des Wagens wird sich rasch herumsprechen, und wir werden uns beeilen müssen, damit die letzten in Sicherheit sind, bevor die Status-Drei-Bürger an Ort und Stelle erscheinen."
„Also gut. Beantworte mir noch eine Frage, Gradunoch. Deine Helfer zählen nach Hunderten. Sind sie alle Status-Eins-Bürger wie ich?"
Gradunoch lachte.
„Gib dir die Antwort selbst, Treumann. Jeder Status-Zwei-Bürger kann sich nur hundert Bedienstete leisten. Folglich befinden sich unter meinen Helfern mindestens zwei andere Zweier!"
*
Über Starsen schien keine Sonne. Es war zweifelhaft, ob überhaupt einer ihrer Bewohner wußte, was eine Sonne war. Die Stadt kannte nur den grauen Wolkenschleier, der über ihr hing und ab und zu während der Schwarzzeit ein paar Regentropfen von sich gab. Gerade genug, um alle Wesen mit Wasser zu versorgen und eine gewisse Reserve zu gewährleisten. Das Wasser wurde gesammelt und verbraucht, und wenn es zur Neige ging, regnete es wieder aus der Dunkelheit.
Durch die Wolkendecke fiel gleichmäßiges
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