1207 - Im Bann des Kraken
sich und blieb, und mit einemmal fühlte Chulch sich leicht und beschwingt.
Die Phänomene um ihn herum und in ihm erloschen. Ruhe kehrte in seinem Bewußtsein ein, und hinter sich vernahm er das Rascheln, mit dem Frater Jodevin eintrat.
Langsam öffnete Chulch die Augen. Das goldene Licht hatte seine ursprüngliche Farbe angenommen. Es strahlte matt und beruhigte den Treumann, der benommen seine Arme und Beine bewegte und mit dem Kopf rollte.
„Es ist gelungen", drang die Stimme des Fraters an seine Ohren. Sie klang noch schriller als sonst, und sie schmerzte Chulch so, daß er die feingliedrigen Hände darauf legte.
„Konzentriere dich!" verlangte Jodevin. „Schließe dazu die Augen. Du sollst schweben. Verstehst du? Frei in der Luft schweben!"
Der Status-Eins-Bürger hörte verwundert zu. Wußte der Frater denn nicht, daß er keine psionische Begabung besaß?
Jodevin wiederholte seine Aufforderung, aber Chulch schüttelte den Kopf.
„Du irrst dich", behauptete er. Im nächsten Augenblick schrie er laut auf, weil Jodevin mit Suggestivimpulsen nach ihm griff und seinen Willen lahmte.
„Ich konzentriere mich", hauchte er matt. „Ich will schweben. Es funktioniert nicht!"
Jodevins Impulse versickerten, und der Treumann öffnete die Augen und sog tief die Luft ein.
„Was hast du mit mir vor?" wollte er wissen. „Warum quälst du mich? Wäre nicht ein rascher Tod würdevoller?"
„Niemand spricht vom Tod", erwiderte der Frater barsch. Er zeigte Chulch einen Stift und forderte ihn auf, diesen mit Hilfe seiner Geisteskraft zu bewegen und bis zur Tür zu schieben.
Der Treumann versuchte es. Auch dieses Mal hatte er keinen Erfolg, und die kurz tastenden Suggestivimpulse des Fraters erloschen, kaum daß sie aufgetaucht waren.
„Ich kann es nicht", sagte der Treumann ratlos. „Was also erwartest du? Was soll das goldene Licht bewirkt haben?"
Er dachte an die klagenden Stimmen. Er hatte sie nicht so vernommen, daß er ihre Herkunft hätte bestimmen können. Hatten sie wirklich versucht, ihm zu helfen, oder bildete er sich das alles nur ein? Oder - der Gedanke elektrisierte ihn förmlich - gehörten sie zu seinem Volk?
„Schweife nicht ab", mahnte Jodevin. „Versuche, den Stift zu verbrennen. Paß auf!"
Er warf den Stift in die Höhe. Chulch konzentrierte sich auf ihn, und am höchsten Punkt seiner Flugbahn stellte er fest, daß sich in seinem Innern so etwas wie ein Rückkopplungseffekt zwischen Wollen und Können einstellte. Der Stift ging in Flammen auf und sank als kleiner Ascheregen dem Boden entgegen.
„Wie ich es mir gedacht habe!" schmatzten die Münder des Fraters. „Es hat funktioniert!"
Chulch fiel es wie Schuppen von den Augen. Starr musterte er den dunklen Fleck, der sich am Boden bildete.
Er war zum Pyrokinetiker geworden!
Das goldene Licht hatte es bewirkt. Die Fähigkeiten der Triaden, sie waren keine natürlichen Kräfte. Es gab außer den Fratres keine Psioniker. Die Angehörigen der Triaden wurden in diesem Raum mit Psi-Kraft vollgetankt und danach von den suggestiv begabten Fratres als Werkzeuge mißbraucht. Das war das ganze Geheimnis der Macht der Fraternität.
Der Treumann begann zu frieren. Er biß die Zähne aufeinander, um seine Reaktion zu verheimlichen.
Ahnte der Frater, was in ihm vorging?
Das also war aus den Unglücklichen geworden, die auf Nimmerwiedersehen im Kraken verschwunden waren. Sie waren zu Sklaven der Fratres geworden, zu Triaden.
Aber, so ahnte Chulch instinktiv, das konnte nur die halbe Wahrheit sein. Es mußte mehr dahinter stecken.
Chulch fuhr herum. Er konzentrierte sich, wollte seine neu erworbene Fähigkeit gegen Jodevin einsetzen.
Der Frater jedoch hatte bereits reagiert. Eine Welle suggestiver Impulse brandete gegen sein Bewußtsein an und schlug über ihm zusammen. Sie verteilten sich, und der Treumann registrierte verwundert, daß er noch klar denken konnte. Erneut wollte er sich gegen Jodevin wenden, aber es ging nicht. Er war nicht mehr in der Lage, etwas gegen den Frater zu unternehmen.
Das also war die Kontrolle, unter der er von nun an stehen würde.
„Du wirst ein gutes Mitglied einer Triade werden", hörte er Jodevin sagen. „In letzter Zeit sind viele ausgebrannt. Sie müssen ersetzt werden. Was wird Torkun dazu sagen? Er rechnet nicht damit, daß du noch lebst. Er denkt, du seist den Weg ohne Wiederkehr gegangen!"
Weg ohne Wiederkehr! Chulchs Gedanken jagten sich. Was sie mit ihm gemacht hatten, war nicht der Weg ohne
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