1208 - Leichenwelten
entgegen. Er sprach mit ihm, und wir erlebten eine Diskussion. Samuel wollte den Schlüssel nicht hergeben, und Moses musste ihm beinahe drohen, bis er endlich das Gewünschte bekam.
»Man muss ihn verstehen«, sagte er zu uns. »Einer wie er hat Angst. Er kennt die Regeln. Er weiß, wie gefährlich der Zauber werden kann. Davor fürchtet er sich eben.«
»Wir werden sehen«, sagte ich und nahm den Schlüssel entgegen. Es war ein flaches Gerät, das ich in das Schloss schieben musste. Es hakte etwas, dann konnte ich es drehen.
Wenig später war die Tür aufgeschlossen.
Ich zog sie noch nicht auf, sondern blieb zunächst stehen, die Hand noch auf die Klinke gelegt. Auch Moses stand in unserer Nähe. Sein Gesicht zeigte einen angespannten Ausdruck, und er atmete schnaufend.
»Bitte, Moses, Sie bleiben zurück. Suko und ich werden den Container zu zweit inspizieren. Sie können uns nur noch sagen, was wir dort finden werden.«
»Nur einen Raum.«
»Bitte?«
»Ja, so ist es.« Er verzog bitterlich seinen Mund. »Man hat sie in einen Raum gesteckt. Es stehen Betten darin, es gibt schmale Schränke, einen großen Tisch und einige Stühle, das ist alles. Oft liegt die Kleidung auch wegen Platzmangels auf dem Bett.« Er hob seine breiten Schultern.
»Mehr kann ich Ihnen auch nicht sagen.«
»Danke, dann wollen wir mal.«
Neben mir zog Suko seine Waffe. Aber so, dass es die Zuschauer nicht sehen konnten.
Ich ließ die Beretta noch stecken, zog die Tür auf und betrat als Erster den Container…
***
Zunächst fiel mir die Stille auf. Danach der Geruch. Wo viele Menschen zusammenleben und wo kein Fenster geöffnet ist, da riecht es automatisch. Das hatte wirklich nichts mit der Hautfarbe zu tun. Dann fiel uns noch etwas auf. Es war recht dunkel in diesem übergroßen Karton, und das obwohl die Wände von innen recht hell waren. Eine Kochstelle sah ich nicht. Wahrscheinlich mussten die Menschen zentral ihre Mahlzeiten zubereiten.
Ich ging langsam vor. Hinein in die Stille und über einen Boden, der mir weich vorkam. Ich wusste nicht, aus welchem Material er bestand.
Suko blieb dicht hinter mir. Da uns niemand empfing, entspannte ich mich wieder ein wenig und ließ auch die Waffe stecken.
Auf den ersten Blick war nichts zu sehen. Uns fiel nur das Durcheinander auf, und das hatten die Menschen bestimmt nicht hinterlassen. Die Türen der schmalen Schränke waren aufgerissen worden. Man hatte die Kleidung hervorgeholt und auf dem Boden verteilt. Aber nicht nur dort, sie lag auch auf den ungemachten Etagenbetten. Jemand musste hier sehr wütend gewesen sein und Randale gemacht haben.
Den angeblichen Zombie sahen wir nicht. Er trieb sich irgendwo herum oder hielt sich versteckt, falls es ihn überhaupt gab. Wir konnten ihn auch nicht riechen, weil der normale Geruch alles andere einfach überlagerte.
Suko und ich trennten uns. Der eine suchte rechts, der andere links. Ich hatte mir die rechte Seite vorgenommen. Meine Schuhe schlurften über die am Boden liegenden Klamotten hinweg, aber ich trat gegen keinen festen Widerstand.
Der letzte Insasse schien sich in Luft aufgelöst zu haben.
Neben den drei Betten an der rechten Seite blieb ich stehen. Sie waren so hoch, dass es mir nicht gelang, direkt auf das oberste zu schauen.
Dazu musste ich mich schon auf die Zehenspitzen stellen, was ich auch tat und dann über den Rand hinweg sah.
Auch auf diesem Bett lag ein Wust von Kleidung oder zusammengerollten Tüchern. Im Prinzip nichts Ungewöhnliches, bis auf die Tatsache, dass sich dort die Kleidung bewegte, und das passierte bestimmt nicht von allein.
Durch ein Zischen machte ich Suko aufmerksam und trat zugleich ein kleines Stück vom Bett weg.
Ich deutete mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf das oberste Bett und zog meine Waffe.
Suko blieb an der anderen Seite stehen. Er gab mir gewissermaßen Rückendeckung.
In den nächsten Sekunden geschah nichts. Da bewegte sich kein Stoff, und ich dachte daran, dass ich mich auch geirrt haben könnte.
Geduld muss auch oft unsere erste Tugend sein, und so warteten wir zunächst ab.
Ich hatte mich nicht geirrt. Auf einmal bewegte sich der Stoff wieder.
Allerdings blieb es nicht dabei, denn es passierte noch mehr. Wieder stellte ich mich auf die Zehenspitzen und machte den Hals lang. Das war mein Glück, denn so schaute ich über den Rand der Matratze hinweg und entdeckte die dunkle Hand, die sich durch eine Lücke auf den Rand des Bettes zuschob.
In diesem Moment stand
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