1208 - Leichenwelten
für mich fest, dass wir den lebenden Toten entdeckt hatten…
Mit einer knappen Bewegung gab ich Suko zu verstehen, dass ich etwas entdeckt hatte.
Er brauchte nicht näher an das Bett heranzukommen und musste sich auch nicht auf die Zehenspitzen stellen, denn auf dem dritten Bett bewegte sich die Gestalt weiter auf den Rand zu. Wir schauten zu, wie sich ihre Hand um die Matratze krallte, als wollte sie sich dort festhalten, um noch mal Schwung zu bekommen.
So zog sich die Gestalt näher. Sehr bald sahen wir mehr als nur eine Hand, denn plötzlich erschien das Gesicht. Die Gestalt war neugierig geworden. Sie hatte die Menschen gerochen und wollte nun nachschauen, was Sache war.
Wir unternahmen noch nichts. Unsere Blicke konzentrierten sich auf das Gesicht, das mir in diesem Moment wie eine dunkle und zugleich düstere Landschaft vorkam. Obwohl die Augen glänzten, sah ich kein Leben in diesem Gesicht. Es blieb irgendwie starr, und auch den Ausdruck der Augen sah ich als tot an.
Um den Mund herum hatte sich heller Schorf abgesetzt. Das Haar war verschmutzt, und allmählich wehte uns auch der Gestank entgegen, den diese Gestalt abströmte.
Es roch ekelhaft.
Nach Friedhof, nach Leichen, einfach nach Tod. Als hätte er schon Tage im Grab gelegen.
Es war nichts zu hören. Er sprach nicht. Er keuchte nicht. Er war einfach nur stumm. Er konnte auch nicht reden, aber er roch die Nähe der Menschen, und das stärkte ihn auch innerlich.
Wir sahen auch seine zweite Hand, mit der er sich am Rand der Matratze festklammerte. Er trug ein schmutziges Hemd.
Darunter zeichneten sich die Knochen der Schultern ab, die so wirkten wie Stäbe. Die dunkle Haut auf seinem Gesicht war dünn. Als er jetzt den Kopf senkte und mit seinen leblosen Augen auf den Boden glotzte, lösten sich gelbliche Tropfen aus seinem Mund und klatschten hörbar auf.
Dann kippte er.
Ich sprang zurück, um nicht getroffen zu werden. Der Zombie fiel schnell, und er drehte sich noch auf dem Weg nach unten, sodass er auf dem Rücken liegen blieb.
Zum schmutzigen Hemd trug er eine an den Seiten zerrissene graue Hose, aber keine Schuhe. Seine Zehen waren ebenfalls verdammt dreckig, und sie klebten aneinander.
Er wälzte sich mit einer langsamen Bewegung herum, um die Bauchlage einzunehmen.
Es war klar, was er wollte. In seiner Nähe befanden sich Menschen, und da schoss in ihm der Drang hoch, sich diese Menschen zu holen und zu töten.
Ich hatte die Waffe auf ihn gerichtet. Es gab nur die Möglichkeit, ihm eine Kugel durch den Kopf oder durch das Herz zu jagen, um ihn endgültig zu vernichten.
Wir standen nicht weit von ihm weg. Sein Mund stand offen.
Daraus wehte uns ebenfalls ein widerlicher Gestank entgegen.
Für einen Moment blieb er knien. Die linke Hand hatte er auf sein linkes Knie gelegt und stützte sich dort ab. Die rechte zuckte. Seine Finger schlossen sich zur Faust. Dann streckten sie sich uns entgegen, und jetzt bildeten sie eine Kralle, die uns fassen wollte.
»Kreuz oder Kugel?«, fragte Suko.
Ich ließ meine Beretta bereits verschwinden und holte das Kreuz hervor. »Sparen wir uns das Silber?«
»Okay, John. Hat es Sinn, ihn anzusprechen?«
»Du kannst es versuchen.«
Das wollte Suko unbedingt. Er flüsterte dem Zombie etwas zu und erreichte damit, dass der lebende Tote seine Aufmerksamkeit auf ihn richtete. Er stemmte sich mit einer ruckartigen Bewegung in die Höhe und blieb stehen, um sein Gleichgewicht zu finden. Aus seinem Maul tropfte es noch immer, und das gelbe Zeug klatschte vor seinen Füßen zu Boden.
Ich hatte mein Kreuz unter der Kleidung hervorgeholt. Hielt es aber noch verborgen in meiner rechten Hand. In der folgenden Sekunde änderte sich dies, denn da schoss meine Hand vor, und ich zielte dabei direkt auf sein Gesicht.
Ich spürte seine weiche Haut an meiner rechten Handfläche, dann gellte ein fürchterlicher Schrei durch den Container. Eine Berührung hatte ausgereicht, um die Gestalt zu vernichten. Sie hielt sich noch auf den Beinen, doch sie taumelte zurück. Die Bewegungen waren unsicher.
Das Bett hielt die Gestalt schließlich auf, die ihre Arme ausgebreitet und den Kopf schief gelegt hatte.
Von der Stirn her und über die Nase hinweg malte sich der Abdruck des Kreuzes ab. Es hatte die Haut zerstört und sie aufgerissen wie altes Papier. Aus den Wundrändern sickerte ebenfalls die gelbliche Flüssigkeit nach außen und rann wie Eiter an seinem schrecklichen Gesicht entlang nach unten.
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