121 - Das Scheusal aus dem Nichts
übertrieben hatte.
Die Aufnahme zeigte eine bildhübsche Frau,
nicht älter als drei- oder vierundzwanzig. Glatte. faltenfreie Haut, eine
begehrenswerte Erscheinung.
Dunkel und unergründlich waren die Augen,
zärtlich die leicht geöffneten Lippen, schlank die wohlgeformten Glieder. Hier
stimmte einfach alles.
„Es steht etwas hinten darauf“, murmelte Hans
Liepert.
Larry drehte das Bild um. „In steter
Verehrung und Liebe“, las X-RAY-3 halblaut vor. „Ich bin immer für dich da.
Martin! Deine Annegret!“
Niemand konnte es fassen.
Dieses herrliche, lebenslustige Geschöpf
sollte identisch sein mit der streng und finster dreinblickenden Annegret
Zekker. die sie kennengelernt hatten?
„Sie muß ihn wirklich sehr geliebt haben, um
ihn so hassen zu können“, murmelte Hans Liepert, der das Bild zurücknahm,
nachdem alle es gesehen hatten. „Ich fand das Bild als Junge zwischen seiner
Verehrerpost. Ich mußte dieses Bild immer und immer ansehen. und ich wünschte
mir, eines Tages von so einer wunderschönen Frau verehrt und geliebt zu werden
wie Vater. Aber er wollte ihre Liebe nicht - er hatte seine Begleiterin fürs
Leben schon gefunden. Das hat sie ihm nie verziehen. Seltsam, wie das Leben
manchmal spielt. Mister Brent. Es verändert die Menschen ...“
„Ja, das tut es. Aber nicht so drastisch und
so gründlich wie es bei Annegret Zekker geschah. Sie wollte mit Gewalt etwas
erreichen - und sie verkaufte dafür sich und ihre Seele! Und auch ihre
Schönheit!“ Er trat ans zerbrochene Fernster und starrte in den Nachthimmel.
„Sie hat sich selbst vernichtet. Sie hat Wind gesät und Sturm geerntet. Wir
werden nie erfahren, mit welchen geheimnisvollen Mächten sie sich einließ, wie
sie den Kontakt fand. Und es ist gut so. Es ist oft schlecht, alles wissen zu
wollen. Annegret Zekker hat ihr Geheimnis und das des Scheusals aus dem Nichts
mit in eine für uns unerreichbare Ferne genommen.“
Brent schwieg, als er sah ,
” was Liepert tat. Der Schauspieler betrachtete nochmals das Bild der
Schönen und zerriß es dann in lauter kleine Fetzen.
*
„Und nur sie allein weiß, warum ich zum
Krüppel wurde“, sagte Hans Liepert. als sie am nächsten Tag alle im Kaminzimmer
beisammen saßen und auch Iwan Kunaritschew unter ihnen weilte, der sich freute,
daß Annegret Zekker durch ihre eigenen Kräfte überfordert worden und noch mal
alles verhältnismäßig gut abgelaufen war.
„Nicht nur sie allein“, schaltete Iwan Kunaritschew
sich ein. „Erinnern Sie sich an das, was ich Ihnen als Botschaft Ihrer Mutter
übermitteln konnte!“
Liepert winkte ab. „Voraussagen aus dem
Jenseits sind eine delikate Sache für sich.“
„Noch immer skeptisch?“ fragte Larry.
„Ja. Vielleicht gilt das. was von dort
übermittelt wurde in einem Jahrzehnt oder in zwei Jahrzehnten.“
Larry und Iwan blickten sich an. Jetzt wurde
ihnen bewußt, daß Hans Liepert offenbar etwas nicht richtig mitbekommen hatte.
„Ihre Mutter sprach von der Gegenwart - wie
sie auch von dem Bild sprach, das Sie in Ihrer Brieftasche bei sich trugen -
und von dem nur Sie wissen konnten, nicht wahr?“ meinte der Russe. „Ich mache
Ihnen einen Vorschlag, Herr Liepert?“
„Und der wäre?“
„Ich werde mich nach der Klinik und dem
Professor erkundigen, der diese Spezialoperationen durchführt, die in besonders
gelagerten Fällen zu hundertprozentigen Ergebnissen führt.“
*
Schlechtes ging vorüber. Zum Glück! Auch gute
Tage gehörten bald der Vergangenheit an. Leider?
Es gab keine Perfektion auf dieser Welt.
Nach all den schrecklichen Erlebnissen gab es
nun Dinge, die gerade wohltuend auf Lieperts Zustand wirkten.
Die Bewohner im Dorf hatten durch die Porkars
erfahren, was sich wirklich auf dem Hof zugetragen hatte und daß der
Schauspieler keine Schuld an dem Unglück trug, das eingetreten war. Für alle
Ereignisse war ganz allein Annegret Zekker verantwortlich zu machen. Für die
Erkrankungen unter dem Vieh, für den Tod an Mensch und Tier. Sie hatte das
Scheusal aus dem Nichts konsequent und gewissenlos gefordert und nur ihre eigenen
Ziele erkannt. Gefühle zählten bei ihr nicht mehr.
Sie hatte mit ihren übernatürlichen
Fähigkeiten andere unter ihren Willen gezwungen, die Dorfbewohner gegen Liepert
und die Steinhusens aufgehetzt und Leid und Tod gebracht.
Viele aus dem Dorf kamen, sich für ihre
Beleidigungen zu entschuldigen. Darunter auch Dirk Mathiesen. Das Freute
Liepert und Steinhusen am
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