1210 - Todesgruß aus Aibon
jetzt, dass mir das Blut in den Kopf stieg.
Selina Green gab sich gelassen. Sie saß noch immer in der gleichen Haltung und nippte an ihrem Drink, während in meinem die Eiswürfel allmählich zusammenschmolzen und dafür sorgten, dass der Rest des Alkohols stark verwässert wurde.
Ich riss mich zusammen und achtete darauf, meiner Stimme einen möglichst neutralen Klang zu geben. »Dann befindet sich das Schwert also in Ihrem Besitz?«
»Hm.« Sie schob die Unterlippe nach vorn. »Nein, das ist nicht der Fall, John. Ich habe es nicht.«
»Aber Sie hatten es.«
»Das streite ich nicht ab.«
»Darf ich fragen, wo es sich jetzt befindet?«
Sie warf den Kopf zurück und lachte, obwohl ich mir bei meiner Frage nicht lächerlich vorgekommen war. »Können Sie sich das nicht denken, John?«
»Vielleicht. Nur möchte ich es von Ihnen wissen.«
»Ich habe es nach Aibon schaffen lassen. Das Land ist Ihnen ja sicherlich nicht unbekannt.«
Log sie? Log sie nicht?
Ich versuchte, die Beherrschung zu bewahren und möglichst gleichgültig auszusehen. Ich meldete zudem meine Zweifel an und sagte, während ich die Schultern hob. »Ich kann mir schlecht vorstellen, dass Sie die Waffe in das Paradies der Druiden geschafft haben.«
»Warum nicht?«
»Es ist nicht so einfach, nach Aibon zu gelangen.«
»Ja, da haben Sie Recht. Leicht ist es in der Tat nicht. Zumindest nicht für normale Menschen. Aber das sind wir beide ja nicht. Nach außen hin schon«, schränkte sie ein. »Aber wir wissen mehr, und da brauchen wir auch nicht zu schauspielern, denke ich.«
»Was haben Sie mit Aibon zu tun?«
»Ich liebe es.« Sie hob die Arme an und bewegte sie nach vorn, als wollte sie die Szene noch besser beherrschen. »Aibon ist für mich das Größte überhaupt.«
»Welche Seite?«
Da lachte sie. »Haben Sie das wirklich fragen müssen, Mr. Sinclair? Wer die Macht erreichen will, der darf sich eigentlich nur auf eine Seite stellen. Auf die des großen Guywano. Er ist der Herrscher, er ist die wichtigste Person. Aber er ist noch nicht perfekt. Er beginnt damit, es zu werden, und für ihn ist es wichtig, bestimmte Insignien der Macht zu bekommen. Dazu gehört die Waffe eines seiner größten Feinde.«
Selina hatte es mir bestätigt. Es gab auch keinen Grund, ihr nicht zu glauben. Sie hatte den Einbruch in meine Wohnung veranlasst, und ihre Helfer hatten das Schwert des Salomo gestohlen. Es kamen nur die Killer-Gnome in Betracht.
»Sie haben nachgedacht, nicht wahr, John?«
»Das habe ich in der Tat.«
»Darf ich fragen, zu welch einem Ergebnis Sie gelangt sind?«
»Das dürfen Sie gern. Wenn man mir etwas Besonderes stiehlt, bin ich es gewohnt, mir den Gegenstand wieder zurückzuholen. Das werde ich auch hier so halten.«
Selina schwieg. Sie blickte mich prüfend an, als wollte sie mich sezieren. Eine Weile lang sagte sie nichts, bis sie Luft holte und mit leiser Stimme fragte: »Glauben Sie denn, dass Ihnen das gelingen wird?«
»Das weiß ich nicht. Ich werde es zumindest versuchen. Sie kennen mich schlecht. Ich habe noch nie aufgegeben. Das Schwert ist mir einfach zu wichtig.«
Sie nagte an der Unterlippe. Sie blickte auf das leere Glas auf dem Tisch und legte die Stirn in Falten. »Es ist natürlich klar, dass ich mit dieser Reaktion gerechnet habe, aber Sie werden das Schwert nicht mehr bekommen. Es befindet sich in meinem Besitz, und ich habe lange darum gekämpft. Es ist meine Waffe geworden. Ich habe einen Trumpf. Ich kann Guywano gege nüber ganz anders auftreten, das sollten Sie auch wissen.«
Den letzten Worten hatte ich genau zugehört. Sie waren mir irgendwie anders vorgekommen, zumindest glaubte ich, aus ihnen etwas hervorgehört zu haben.
Konnte es sein, dass die Klinge sich noch nicht in Aibon befand, sondern noch in dieser Wohnung?
Selina bemerkte, wie stark ich nachdachte, und in ihrer Haltung war jetzt die Spannung zu sehen, die sie erfasst hielt.
Unruhig bewegte sie ihre Hände und fragte dann: »Glauben Sie mir nicht?«
»Genau, ich zweifle.«
»Das ist…«
»Geben Sie mir den Beweis, dass sich das Schwert in Aibon befindet.«
Sie blieb stur. »Ich habe es Ihnen doch erklärt, John. Es ist dort.«
»Komisch nur, dass ich Ihnen nicht so recht glauben kann. Es ist unmöglich, auf einem normalen Weg in das Paradies der Druiden zu gelangen. Da braucht es mehr. Wenn ich mir vorstelle, dass sich in diesem Haus ein Zugang befindet, dann kann ich das nicht so recht glauben. Das müssen Sie mir schon
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