1215 - Mich jagte die blonde Bestie
ruhiger Stimme. »Jeder Mensch trägt wohl einen Glücksbringer mit sich herum. Ich habe ihn aus meiner Heimat China mitgenommen.«
»Zeig ihn mir!«
»Wie du willst!«
Einer der Männer hatte inzwischen Sukos Beretta an sich genommen. Er hielt sie mit beiden Händen fest. Die Arme hatte er ausgestreckt, und er zielte gegen Sukos Kopf.
Es dauerte nicht lange, da hielt Suko den Stab in der Hand. Er hätte jetzt das Wort Topar rufen können, dann wären ihm fünf Sekunden geblieben, um die Lage zu seinen Gunsten zu verändern, aber er tat es noch nicht. Suko behielt die Nerven.
Er war die Ruhe selbst, als er Rosetti den Stab entgegenstreckte.
»Das ist alles…«
Rosetti schaute ihn an. Für einen Moment suchte er die Heimtücke in Sukos Blick, der allerdings sehr gelassen aussah.
Suko gab auch keinen Kommentar ab, er wollte nur, dass Rosetti den Stab anfasste.
Das tat Rosetti nicht. Er schaute nur nach, ob es ein normaler Stab war oder vielleicht doch eine versteckte Schusswaffe.
»Bitte, Sie können ihn an sich nehmen. Sie werden sehen, dass er harmlos ist.«
»Ein Ta lisman, wie?«
»So ist es.«
Rosetti wollte es nicht glauben. »Ein wenig zu groß für einen Talisman.«
Suko hob die Schultern ein wenig an. »Es gibt sie in unterschiedlicher Größe, Mr. Rosetti, muss ich Ihnen das sagen. Glücksbringer sehen ja nicht alle gleich aus.«
Carlo Rosetti war leicht irritiert. Sukos Sicherheit gefiel ihm nicht. Er wurde von mehreren Waffen bedroht, doch das schien ihn nicht weiter zu stören.
»Man hat nicht immer Glück, Inspektor.«
»Das stimmt.«
»Und du hast heute Pech.«
»Es sieht so aus.«
Rosetti rührte den Stab noch immer nicht an. »Du hast sogar großes Pech, denn dieser Keller hier wird zu deinem Grab werden. Dein Körper wird hier vermodern. Vielleicht wird man irgendwann dein Skelett finden und dann sehen, dass der Schädel ein Einschussloch hat. Doch in dieser Zeit hat die Welt längst ein anderes Gesicht bekommen, Suko. Da herrschen wir.«
Suko brachte die Sprache wieder auf seinen Stab. »Wollen Sie ihn nun testen oder nicht?«
»Nein, das brauche ich nicht.«
»Dann darf ich ihn behalten?«
»Sicher, das darfst du!«
Nein, sicher war Rosetti nicht. Suko sah es ihm an. Wahrscheinlich war er durch die Ruhe des Inspektors verunsichert.
Als Realist musste er sie als eine gewisse Überlegenheit ansehen, und das konnte ihm nicht gefallen.
In dieser schattigen Umgebung war nicht alles licht und klar.
Auch der Zugang in die Vampirwelt war verblasst, der Kampf fand in diesem Fall nur an einer Front statt, und die Lage hatte sich zugespitzt. Das sah Suko dem Mann deutlich an. Rosetti hatte genug geredet. Er war jetzt bereit, die Konsequenzen zu ziehen. Der Atem verließ in scharfen Stößen seinen Mund. Die Beute-Beretta hielt er mit beiden Händen fest, denn er wollte auf keinen Fall daneben schießen.
Carlo Rosetti war ein Mensch, und Suko kannte die Reaktionen eines Menschen, der unter Stress stand und dabei kein abgebrühter Profi-Killer war. Dem konnte ein guter Beobachter ansehen, wann er sich zu einer ungewöhnlichen Tat entschlossen hatte.
Das war bei Rosetti nicht anders als bei vielen anderen. Er wollte schießen, und er würde es nicht mehr lange hinauszögern.
Das scharfe Grinsen. Das Zucken in den Augen. Der allerletzte Triumph darin…
Er schoss nicht.
Denn ein Wort reichte.
»Topar!«
***
Sie wollten, dass ich eine bestimmte Richtung einschlug, und ich tat ihnen den Gefallen. Die zahlreichen Fledermäuse waren zwar aus meiner unmittelbaren Umgebung verschwunden, aber sie waren noch vorhanden. Wie flatternde Wächter begleiteten sie meinen Weg zu den Felsen hin. Immer bereit, auf mich herabzustoßen, wenn ich einen anderen oder falschen Weg einschlug.
Ich dachte nicht nur an Will Mallmann oder an Justine Cavallo, mir wollte auch Vincent van Akkeren nicht aus dem Kopf.
Jetzt, wo ich gedanklich einigermaßen zur Ruhe gekommen war, fiel er mir wieder ein, denn in diesem höllischen Spiel stellte er so etwas wie einen Joker dar. Einen verdammt gefährlichen, wenn ich daran dachte, was wir mit dem Grusel-Star in der Vergangenheit schon alles erlebt hatten. An eine Rückkehr hätte ich in meinen kühnsten Träumen nicht gerechnet, aber in meinem Job hörten die Überraschungen eben nicht auf, und die neue empfand ich wie einen schweren Hammerschlag.
Ich hatte mir zwar so etwas wie eine Waffe besorgt, kam mir allerdings damit recht lächerlich vor, denn mein Leben
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