122 - Der Geisterwolf
daß »dieser Bastard« nicht lange leben würde, dafür würden er und seine Meute sorgen.
»Entweder ist er bereits tot, oder wir werden ihn töten. Wenn nicht heute, dann zwischen den Vollmonden. Er kann einen bedauerlichen Unfall haben«, sagte Dotrice gemein grinsend.
Es ging auf Mitternacht zu, und das Wolfsrudel war vollzähig - bis auf Spencer Douglas und die beiden anderen Wölfe. Und natürlich fehlten auch Claudette O’Hara und Clark Dern.
Die Meute wurde ungeduldig. Zu lange mußte sie sich schon beherrschen. Sie wollte endlich das blonde Mädchen fressen und dann losziehen, um weitere Menschen zu töten.
Vicky Bonney war nur der Anfang. Ein Ende war nicht abzusehen. In der Nähe wurde ein übermütiges Fest gefeiert, zu dem Lord Delbert Farrington geladen hatte, und viele Menschen waren seiner Einladung gefolgt.
Die Meute wußte, daß es sich um einen Maskenball handelte. Das war eine gute Gelegenheit, sich unauffällig unter die Gäste zu mischen und die richtigen Opfer auszuwählen.
Auch Don Dotrice wollte nicht länger warten. Er befahl, das blonde Mädchen aus der Mühle zu holen. Man band Vicky Bonney los und zerrte sie hinaus.
Ihr Herz raste. Wie ein fahles Totengesicht hing der Mond am Himmel und schaute dem Treiben der Werwölfe teilnahmslos zu. Vicky stemmte die Füße fest auf den Boden, doch die Wölfe rissen sie mit sich.
Die gierigen Monster standen Spalier, bildeten eine Gasse, die sich hinter dem zitternden Mädchen schloß. Hungrig bleckten die behaarten Ungeheuer ihre kräftigen Reißzähne, aber sie wagten noch nicht, über das wehrlose Opfer herzufallen.
Don Dorice, der Leitwolf, mußte der erste sein. Erst dann durften auch die anderen zubeißen. Es gab innerhalb des Rudels eine Rangordnung.
Wer sich nicht an sie hielt, wurde von den anderen »zurechtgebissen«. Und wer es wagte, sich über den Leitwolf zu stellen, den forderte Dotrice zum Kampf, und er hatte bisher noch keinen verloren.
Don Dotrice erwartete Vicky Bonney aufrecht stehend. Seinen großen Schädel bedeckte ein dunkles, struppiges Fell, und in seinen Augen loderte ein gefährliches Feuer, Man stieß das Mädchen auf den Leitwolf zu. Vicky prallte gegen seine harte Brust. Er schloß sofort die Arme um sie und preßte sie fest an sich.
Aber er hielt sie nicht lange fest. Seine Mordgier war schon zu groß. Er wollte sie nicht länger unterdrücken, deshalb fegte er mit dem Fuß blitzschnell Vicky Bonneys Beine zur Seite und warf sie auf den Boden.
Sie landete auf dem Rücken und hatte den Leitwolf über sich. Wie ein Koloß wirkte er aus dieser Perspektive. Er streckte die Pranken nach ihr aus und…
***
Daliah Adrews und Karen Tomlinson - die eine blond, die andere schwarzhaarig - durften auf einem solchen Fest nicht fehlen. Sie waren noch jung, erst einundzwanzig, aber sie verstanden es schon lange, das Leben in vollen Zügen zu genießen.
Sie hatten reiche Väter, und da sie reich waren, waren ihre Väter stolz auf sie und zeigten sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit her.
Natürlich mit dem Hintergedanken, sie gut an den Mann - beziehungsweise unter die Haube - zu bringen. An Bewerbern hätte es weder bei Daliah noch bei Karen gefehlt, aber ihre Väter waren sehr anspruchsvoll.
Der junge Mann, den sie zu akzeptieren bereit waren, mußte zumindest ebensoviel Geld in die Ehe mitbringen, wie sie selbst besaßen, und deshalb war für die Mädchen, der Richtige noch nicht gefunden.
Daliah und Karen waren weit weniger anspruchsvoll. Wenn, sie einen Jungen nett fanden, konnte er bei ihnen viel erreichen. Für diesen Abend hatte sich Daliah den Sohn eines Hotelmanagers ausgesucht, dem der Ruf vorauseilte, ein toller Liebhaber zu sein.
Daliah wollte unbedingt herausfinden, ob das stimmte. Er absolvierte gerade zwei Pflichttänze. Einen mit seiner Schwester, den nächsten mit seiner Mutter, und dann würde er für den Rest der Nacht nur noch Daliah gehören.
Karen war Daliahs Vertraute, und als solche wußte sie natürlich, was die Freundin mit dem jungen Mann vorhatte.
»Hoffentlich seid ihr so klug und laßt euch nicht erwischen«, sagte Karen Tomlinson. »Das könnte schrecklich peinlich für euch beide sein.«
»Lord Delberts Schloß ist so groß, da findet uns bestimmt keiner«, gab Daliah Andrews schmunzelnd zurücik. »Wenn ich geahnt hätte, daß mir hier Matthew Stevenson über den Weg laufen würde, hätte ich nicht diesen pompösen Krinolinenrock angezogen.«
Karen kicherte. »Er wird es
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