122 - Der Geisterwolf
Wandspiegel, und er musterte sich so neugierig, als hätte er einen Fremden vor sich.
Es war so vieles neu an ihm und in ihm, daß er sich tatsächlich fremd vorkam. Er mußte sich erst kennenlernen. Ihm war aufgefallen, daß er auf Gefahren anders reagierte als früher.
Er war mutiger geworden, traúte sich mehr zu, und ihm stand eine geheimnisvolle Kraft zur Verfügung, die er bis vor kurzem nicht gekannt hatte.
Und sein Haß gegen alles, was bösen Ursprungs war, prägte sich in ihm immer mehr aus. Es drängte ihn, schwarze Feinde zu suchen, zu stellen und zu vernichten.
Er brauchte sich Tony Ballards Vorschlag nicht mehr zu überlegen. Er hatte bereits einen Entschluß gefaßt. Er würde sich diesem »Weißen Kreis« anschließen und gemeinsam mit den neuen Freunden Dämonen jagen. Das war seine neue Bestimmung.
Langsam wandte er sich um, und plötzlich erstarrte er. Mit einemmal war seine Zukunft in Frage gestellt. Vielleicht würde er in wenigen Augenblicken keine Zukunft mehr haben, denn Terence Pasquanell war in sein Haus gekommen, ohne daß er es bemerkt hatte.
Der bärtige Werwolfjäger starrte den weißen Wolf haßerfüllt an. »Dachtest du, mir entkommen zu können?«
Bruce O’Hara blickte verwirrt zum Fenster.
Terence Pasquanell lachte hämisch. »Ballard und Silver denken, ich befinde mich im Haus deines Nachbarn. Habe ich gut eingefädelt, nicht wahr? Ich wollte mit dir allein sein, weißer Wolf. Du mußt sterben. Wenn Ballard und der Ex-Dämon merken, daß ich sie ausgetrickst habe, wenn sie hierher zurückkommen, werden sie einen toten weißen Wolf vorfinden. Du bist eine Schande für die gesamte Gattung der Werwölfe; eine Fehlentwicklung, die sich nicht korrigieren läßt, deshalb werde ich dich auslöschen - mit meinen Augen!«
Die Höllenkraft der Todesaugen begann zu wirken. Sie attackierte den weißen Wolf. Bruce O’Hara wand sich unter heftigen Schmerzen. Er krümmte sich und preßte die Arme gegen den Leib.
Terence Pasquanell kam nicht näher, und er rührte sich nicht. Er starrte sein Opfer nur an. Das genügte, um Bruce O’Hara immer besser in den magischen Griff zu bekommen.
Der Todesblick des Werwolfjägers durchdrang O’Hara. Sobald Terence Pasquanell die Kraft verstärkte, würde der weiße Wolf sterben.
Noch begnügte sich Pasquanell damit.
O’Hara zu peinigen. Die tödliche Magiedosis sollte er in wenigen Augenblicken bekommen.
O’Hara verwandelte sich. Er dachte, die Widerstandskraft dadurch erhöhen zu können, denn als Wolf war er stärker, aber der ungeheuren Kraft des Zeitdämons war er nicht gewachsen.
Sein Ende zeichnete sich ab…
***
Ich fuhr herum und bekam gerade noch rechtzeitig mit, daß Lionel Nimoy mich mit dem Säbel aufspießen wollte. Der alte Mann schien übergeschnappt zu sein.
Hielt er mich für Terence Pasquanell? Ich hatte keine Zeit, den Irrtum klarzustellen, mußte blitzschnell reagieren, federte zur Seite und nahm die Flasche, nach der ich gegriffen hatte, mit.
Der Säbel stach knapp an mir vorbei. Die Spitze traf das antike Schränkchen und machte einen häßlichen Kratzer ins Holz. Ich wollte den alten Mann entwaffnen, doch er drehte sich so schnell, wie ich es ihm niemals zugetraut hätte, und wenn ich mich nicht sofort geduckt hätte, hätte mich Lionel Nimoy glatt um einen Kopf kürzer gemacht.
Das reichte. Die breite Säbelklinge surrte über mich hinwg. Ich federte hoch und schlug mit der Flasche nach dem Arm des Mannes. Er stöhnte auf und ließ den Säbel fallen.
Mir war inzwischen klargeworden, daß Nimoy nicht aus eigenem Antrieb handelte. Dahinter steckte Terence Pasquanells Magie, Der alte Mann war besessen!
Er griff mich auch ohne Säbel an, und in seinem Augen funkelte Pasquanells Haß. Er stürzte mir entgegen. Ich federte nach links und drehte mich.
Der eigene Schwung riß Nimoy nach vorn. Ich sprang hinter ihn und zwang ihn in einen Festhaltegriff. Normalerweise hätte sich Lionel Nimoy darin nicht mehr rühren können, aber Terence Pasquanell hatte den alten Mann mit zusätzlichen Kräften »angereichert«.
Es gelang Nimoy, meinen Griff zu sprengen. Er wirbelte herum, ich versetzte ihm einen derben Stoß, und er landete in einem Sessel. Bevor er hochschnellen konnte, holte ich einen meiner magischen Wurfsterne aus der Tasche.
Ich preßte ihm das geweihte Silberding, das die Form eines Drudenfußes hatte, auf die Stirn und bannte damit Pasquanells Einfluß auf diesen Mann.
Nimoy erschlaffte und dachte nicht
Weitere Kostenlose Bücher