1227 - Lord Mhutans Stunde
zu erklären. „Twirl hat das gesamte Vitalenergiepotential der Quelle von Korzbranch nach Mhuthan geleitet. Der See auf dem Plateau ist leer. Begreifst du es, Arkonide? Mhuthan ist frei! Der Dom und das ganze Land! Die Vitalkraft ist wie eine Springflut über das Land hereingebrochen!"
„Bei der Tiefe!" rief Salik. Er schlug die Hände vors Gesicht. „Das ist ja furchtbar! Wie konnte das nur geschehen!"
Und Atlan fügte hinzu: „Etwas Schlimmeres hätte den positiven Kräften nicht passieren können!"
Fassungslos starrte Tengri Lethos die beiden an. Er verstand die Welt nicht mehr.
*
Das Erwachen war schrecklich. Es stellte sich mir dar, als würde ein Vorhang von meinem Geist weggezogen und ein ungeheurer Druck vom Gehirn genommen. Ich sah den Abaker auf dem Boden liegen und die Waffe in meiner Hand. Ich ließ sie fallen und rannte zu Twirl. Ich konnte es nicht fassen, was ich getan hatte, und noch weniger, daß ich nicht geschossen hatte. Erst Lethos' Worte verschafften mir Aufklärung über das, was soeben geschehen war. Und als ich mich Saliks Einschätzung der Lage anschloß, da verstand Lethos die Welt nicht mehr.
Es gelang uns in dem entstehenden Gedränge, ihn aufzuklären, was wir von Lord Mhuthan erfahren hatten. Daß mit der Quelle von Korzbranch eine Gefahr verbunden war, die wir nicht kannten. Daß es jetzt offensichtlich zu spät war, den Fehler gutzumachen, und daß wir den Grauen Lords zu einem Sieg verhelfen hatten. Irgendwo, vielleicht in dem Land Ni.
„Frage mich nicht nach den Auswirkungen, ich kann sie dir nicht sagen. Komm mit in den Dom. Wir müssen Mhuthan erwischen, ehe es zu spät ist. Er darf uns nicht entkommen!"
Lethos nickte und rannte los. Er wußte, was ich meinte. Mhuthan befand sich im Besitz unserer Zellaktivatoren. Wenn er mit ihnen nach Ni verschwand, dann war das unser Todesurteil. Selbst wenn es uns gelang, einen Transmitter zu aktivieren und nach Ni zu gelangen, würden wir die Aktivatoren nie mehr erlangen. Denn in Ni herrschte das Grauleben, und wir waren seiner Sklaverei erst entronnen. Aber auch als Graue hatten wir höchstens noch eine Lebenserwartung von fünfundfünfzig Stunden.
Wir eilten auf den Eingang zu, durch den wir den Transmitterdom verlassen hatten.
Tiziden kamen uns entgegen. Sie jubelten, und ich schrie ihnen eine Frage zu.
„Mhuthan hat sich abgesetzt", kam die Antwort im Tiefenslang. „Er wird längst im Land Ni angekommen sein!"
Laß es nicht wahr sein, flehte ich innerlich. Salik stand mit gesenktem Kopf neben mir.
Extrasinn! rief ich innerlich. Sage etwas.
Finde dich damit ab, kam die Antwort. Oder was willst du hören? Ich bin so froh wie du, dem Grauleben entronnen zu sein. Jetzt gilt es, das Überleben zu sichern.
Unter uns bebte der Boden. Er schwankte, und die Vibrationen kamen vom Transmitterdom selbst. Das riesige Gebäude begann zu beben, und wir machten, daß wir in die Nähe des Eingangs kamen. Wir gelangten jedoch nicht in das Gebäude hinein. Aus allen Eingängen strömten Tiziden, froh, den Kavernen entkommen zu sein. Sie eilten davon zu ihren Artgenossen, und plötzlich stand Fonneher als Urtizide wieder im Mittelpunkt aller.
Die Vibrationen jedoch wurden so stark, daß der Dom regelrecht schwang und uns nichts anderes übrig blieb, als uns aus seiner Nähe zurückzuziehen. Gleichzeitig begann er zu leuchten, und das Licht strahlte weit hinaus in das Land Mhuthan.
„Aus!" hörte ich mich sagen. Ich begriff, daß es zu spät war, dem Grauen Lord in einen Transmitter zu folgen.
Ich wagte es nicht, die Konsequenzen auszusprechen.
Noch fünfundfünfzig Stunden und der Gedanke, daß die Schwächephase bereits ein paar Stunden vorher eintreten würden. Benommen registrierte ich, daß unsere TIRUNS zurückgebracht wurden. Ich streifte meine Tiefenkombination über und sah, daß Jen Salik dasselbe tat. Aber ich wußte, daß die TIRUNS uns nicht davor bewahren konnten, eines grausamen Todes zu sterben.
8.
Der Haluter Domo Sokrat verspürte augenblicklich das Nachlassen des Graueinflusses.
Er warf sich mit einem Aufschrei herum, wollte nach irgendeinem Tiziden greifen oder einem Paladin, aber die Kommunikationssektion, in der er sich befand, war leer. Grauer Staub bedeckte den Boden. Irgendwo schabte eine sich schließende Tür, aber der Haluter konnte nicht genau erkennen, wo es gewesen war.
Sokrat war verwirrt. Er wußte plötzlich, daß er unter dem Einfluß des Graulebens gestanden hatte, obwohl er
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