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1227 - Verschollen im Mittelalter

1227 - Verschollen im Mittelalter

Titel: 1227 - Verschollen im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Smith
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war nicht mehr als ein Rinnsal. Hatte er irgendetwas nicht bedacht? Hatte das Rauschen einen Ursprung, der ihnen gefährlich werden konnte?
    Plötzlich zuckte ein weiterer Gedanke durch sein Hirn: Wenn sie vor dem Eingang auf Menschen trafen, waren sie verloren! In diesem Tunnel hatten sie nichts verloren. Dieser Gang war geheim. Schließlich führte er direkt in die Burg und nur der Burgherr und sein Baumeister durften von seiner Existenz wissen.
    Langsam näherten sie sich dem Licht. Vorsichtig spähten sie hinaus. Und blickten zu ihrem grenzenlosen Erstaunen auf einen reißenden Fluss, der in seiner Breite gut dreißig Meter maß! Mit zerstörerischer Wucht donnerte er an ihnen vorbei, wobei seine Oberfläche wütend schäumte.
    »Scheiße!«, entfuhr es Judith. »Müssen wir da rüber?«
    Nelson zuckte mit den Achseln. »Vielleicht sollten wir erst mal flussabwärts gehen und uns im nächsten Dorf nach Levent erkundigen.«
    Das Buschwerk vor dem Eingang zum Tunnel bot ihnen einigermaßen Schutz, sodass sie es wagen konnten, wenigstens die unmittelbare Gegend zu erkunden.
    Noch etwas anderes stimmt hier nicht, dachte Nelson, während sie sich weiter vorwagten. Der Bewuchs war dichter, schon, aber das war es nicht. Die übrigen Geräusche? Im Unterholz machten die Vögel gerade einen Höllenlärm, der sogar das gewaltige Rauschen des Flusses übertönte. Aber das war es auch nicht…
    Dann plötzlich wusste er, was anders war.
    »Die Luft«, flüsterte er, »merkt ihr das? Sie ist irgendwie… frischer?«
    »Wenn wir da sind, wo wir meinen zu sein«, dozierte Luk, »dann dürfte es weder Autos noch Industrieschlote noch Flugzeuge geben, die…«
    »… mit ihrem Dreck die Luft verpesten«, brachte es Judith auf den Punkt.
    Sie standen am Fluss und hielten einen Augenblick lang inne. Am anderen Ufer saßen Reiher. Nicht weit entfernt schaukelten Enten über einen seichten Nebenarm. Frösche quakten in den Niederungen und über den Wipfeln der Bäume kreiste ein Adler auf der Suche nach einem arglosen Opfer.
    Keine Flugzeuge am Himmel, dachte Nelson. Keine Autogeräusche, die von irgendwoher herüberwehen. Keine Stimmen. Nur das Rauschen des Wassers und das Gezeter der Vögel. Dazu diese Luft… Eine Woge des Glücks überflutete ihn, eine innere Wärme, die sich ausbreitete und ihn für einige Sekunden ganz ruhig werden ließ.
    Plötzlich stieß Luk einen unterdrückten Schrei aus. Die anderen fuhren zusammen. »Das ist ja irre!«, stieß er hervor. »Das gibt’s doch gar nicht!«
    Als Nelson seinem Blick folgte, verschlug es auch ihm den Atem. Hoch auf dem Hügel streckte sich Burg Rosenstoltz gegen den Himmel. Aber das war nicht die Burg, die sie kannten, diese Burg war…
    »Gigantisch«, murmelte Nelson. »Aber wie ist das möglich?«
    Auf seinen Reisen von Kontinent zu Kontinent hatte er schon viele Bauwerke zu Gesicht bekommen, darunter auch etliche Burgen und Schlösser, aber keine Burg war so riesig gewesen wie diese. Der Turm in der Mitte, der Bergfried, musste gut und gerne fünfzig Meter hoch sein, ein mächtiger Wolkenkratzer aus großen, ockerfarbenen Quadern, der im Sonnenlicht erstrahlte. Von seiner zinnenbewehrten Plattform aus konnte man das ganze Land überblicken: von einem Horizont zum anderen.
    Der Wolkenkratzer in der Mitte der Burganlage war jedoch nicht der einzige Turm. Vier weitere, aus rotem Sandstein errichtete Türme mit kegelförmigen Dächern markierten die vier Himmelsrichtungen. Auch sie waren mit kleinen Fenstern und Schießscharten versehen, die es möglichen Angreifern wirklich schwer machten, überhaupt an die Burg heranzukommen. Zusätzlich zog sich ein breiter Graben rund um die Burg, der nur über eine Zugbrücke zu überwinden war. Die Ausmaße dieser Burg warfen Nelsons Vorstellung von dem, was knapp achthundert Jahre vor seiner Zeit an architektonischen Leistungen möglich gewesen war, mit einem Schlag über den Haufen. Innerhalb der wuchtigen Mauer, die sich um den ganzen Hügel herumschlängelte, musste eine kleine Stadt Platz finden! Der Anblick dieses unglaublichen Bauwerks verschlug ihm die Sprache. Wer ein solches Wunderwerk zu konstruieren und zu errichten imstande war, der konnte in der Tat nicht primitiv und rückständig sein!
    »Sie hatte Recht«, sagte Luk mehr zu sich selbst. »Ich hab’s doch gewusst.«
    »Bruder Edward, Bruder Gawein, wenn’s euch beliebt…« Judith sah sie mit ihren Eulenaugen ungeduldig an.
    »Aber das ist doch irre,«, beharrte Luk.

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