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1227 - Verschollen im Mittelalter

1227 - Verschollen im Mittelalter

Titel: 1227 - Verschollen im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Smith
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Nelson. Er hatte sogleich erkannt, dass an ihrer Seite des Flusses ein Floß festgemacht hatte, von dem aus sich eine Leine quer über den Fluss spannte. Ein alter Mann, der im Schatten eines Baumes gesessen hatte, rappelte sich mühsam auf und blickte ihnen neugierig entgegen.
    »Dominus vobiscum«, begrüßte ihn Nelson, als sie näher kamen, woraufhin sich der Alte bekreuzigte und den Saum ihrer Kutten küsste.
    »Kommt ihr von weit her?«, fragte er in einem Dialekt, der Nelson entfernt an den Slang von Professor van der Saale erinnerte.
    »Gott hat uns den Weg hierher gewiesen«, antwortete Nelson umständlich, wobei er sich Mühe gab, einen englischen Akzent nachzuahmen. »Wir sind über das große Meer gesegelt, vom Land der Angelsachsen im hohen Norden. Ich bin Edward von Dartmoor, meine Brüder – er deutete zunächst auf Luk, dann auf Judith – sind Gawein von Killarney und Ignatio von Edinburgh.«
    Der Alte nickte. »Das Turnier wird morgen beginnen und die Heerscharen aus Rom sind schon so groß wie das Gefolge des Kaisers«, bemerkte er in einem Ton, der Nelson aufhorchen ließ. »Das wird dem neuen Römer gefallen und ihn seinem Ziel wieder ein Stück näher bringen.«
    »Von welchem Ziel redest du, Fährmann?«, hakte Nelson nach. Aber in diesem Moment hustete der Alte künstlich und tat so, als hätte er die Frage nicht gehört.
    Während er sich daranmachte, den Knoten des Taus zu lösen, versuchte Nelson aus der Andeutung des Alten schlau zu werden. Mit dem neuen Römer konnte er nur Gregor IX. gemeint haben, der im März 1227 zum Papst ernannt worden war; wenn man so wollte, also erst vor wenigen Monaten. Aus den Geschichtsstunden bei Professor van der Saale wusste Nelson zudem, dass Kaiser Friedrich und Papst Gregor nicht unbedingt Freunde gewesen waren. Aber was hatte das mit dem Turnier auf Burg Rosenstoltz zu tun? Und welche Ziele verfolgte der Papst?
    Der Fährmann hielt das Tau in der Hand und bedeutete seinen Passagieren, auf Strohsäcken Platz zu nehmen. Dann stieß er das Floß mit einem großen Stock vom Ufer ab. Mit ruhigen Bewegungen, die jahrzehntelange Übung erkennen ließen, tauchte er seinen lanzenförmigen Stecken ein ums andere Mal auf den Grund, drückte sich dagegen und schob das Floß auf diese Weise Stück für Stück ans andere Ufer heran. Dabei schien er kaum Kraft aufzuwenden, jedenfalls hatte er genug Muße, um mit seinen Kunden Belanglosigkeiten auszutauschen.
    »Sag uns, Fährmann«, meinte Luk, als sie am anderen Ufer festmachten, »kannst du uns für heute Nacht ein Lager empfehlen?«
    »Fragt nach Pippin dem Tumben«, antwortete der Alte. »Der hat einen ganzen Stall voller Turnierbesucher. Sicher findet sich da auch noch eine Ecke für drei schmale Franziskaner.«
    Sie ließen den Fährmann am Ufer zurück und folgten einem schlammigen Pfad ins Dorf. Schon bald starrten ihre Füße und Kutten vor Dreck.
    Das Dorf bestand aus knapp zwanzig Gehöften, einer winzigen Kapelle nebst angrenzendem Friedhof und kleinen Äckern rundherum. Doch bis auf die Schweine und Hühner, die durch die Gassen liefen, wirkte die Ansiedlung wie ausgestorben. Ratlos gingen sie von Hof zu Hof, versuchten sich durch Rufe bemerkbar zu machen – doch ohne Erfolg. Nur einmal meinte Nelson ein Gesicht an einem Fenster zu erkennen, aber schon im nächsten Moment war es wieder verschwunden.
    »Sehen wir in der Kapelle nach«, schlug Judith vor.
    Das kleine Gotteshaus war ein schlichter Bau aus Holz und Lehm ohne ein einziges Fenster. Die massige Tür war nur angelehnt. Als Nelson sie aufdrückte und eintrat, vernahmen sie einen unterdrückten Schrei, der ihnen das Blut in den Adern gefrieren ließ. Das Licht, das ins Innere fiel, beleuchtete eine gespenstische Szene. Auf dem Lehmboden kauerten mehrere Dutzend Männer, Frauen und Kinder, die sich aneinander drängten und den drei Freunden ängstlich entgegenblickten. Ein Kind fing an zu schreien und seine Mutter presste ihm die Hand auf den Mund.
    »Gott segne euch«, sagte Nelson schnell.
    »Gott segne euch«, wiederholten Luk und Judith.
    Ein Mann erhob sich und trat ihnen entgegen. »Seid gegrüßt«, sagte er mit einer Stimme, aus der Erleichterung sprach. »Wenn wir gewusst hätten…« Er brach ab, kam näher und küsste nacheinander den Saum ihrer lehmigen Kutten. »Ihr müsst entschuldigen, aber… Wir dachten…« Er stockte wieder und warf einen kurzen Blick über die Schulter. Nelson, der seinem Blick folgte, erkannte in der Menge

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