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1227 - Verschollen im Mittelalter

1227 - Verschollen im Mittelalter

Titel: 1227 - Verschollen im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Smith
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jenen zerlumpten Bauern, der vor weniger als einer Stunde am Fluss auf die sechs Ritter getroffen und dabei seinem Tod nur knapp entronnen war. Eine Frau und eine Schar von Kindern pressten sich ängstlich an ihn.
    »Was dachtet ihr?«, hakte Nelson nach. »Welchen Grund habt ihr, euch so sehr zu fürchten, dass ihr hier Zuflucht suchet?«
    Der Mann blickte zu Boden und schwieg. Dafür begannen andere zu tuscheln, erst leise, dann immer aufgeregter, bis einige aufsprangen und zu schreien anfingen. In dem Durcheinander der Stimmen vernahm Nelson Worte wie »Teufel« und »Dämon«. Plötzlich löste sich der Bauer aus der Menge und warf sich den drei Freunden zu Füßen. »Segnet mich!«, bat er mit erstickter Stimme. »Der Antichrist streckt seine Klauen nach mir aus! Segnet mich!« Das Geschrei schwoll an und gleichzeitig rückten die Dorfbewohner näher. Immer mehr riefen »Segnet uns! Vertreibt den Dämon! Jagt den Antichristen ins Feuer der Verdammnis!«
    Nelson bemerkte aus den Augenwinkeln, wie Luk und Judith ängstlich zurückwichen. Sein erster Impuls war, es ihnen gleichzutun und ebenfalls das Weite zu suchen, so lange das noch möglich war. Doch intuitiv und gleichsam gegen seinen Willen begann er den Leuten die Hand aufzulegen und unsichtbare Kreuze auf ihre Stirn zu malen, so wie er es von der Kirche her kannte. Bald taten es ihm seine Freunde nach, und erst als sie auch den Letzten gesegnet hatten, kehrte allmählich wieder Ruhe ein.
    »Wir danken euch«, sagte der Mann, der ihnen als Erster entgegengetreten war. Anscheinend war er so etwas wie der Dorfälteste. Seine Miene hatte sich inzwischen etwas aufgehellt. »Darf ich euch zu einem einfachen Mahl in mein Haus laden?«
    Nelson sah seine Freunde fragend an und erkannte an ihren Gesichtern, dass sie ebenso großen Hunger hatten wie er selbst. Dankend nahmen sie die Einladung an.
    Sie folgten ihrem Gastgeber und seiner Frau in eines der strohgedeckten Häuser am Rande des Dorfes. Als er sie eintreten hieß, sahen sie, dass das Haus aus einem einzigen großen Raum bestand, in dessen Mitte ein steinerner Kamin aufgeschichtet war, vor dem ein hölzerner Tisch mit einfachen Stühlen stand. Der Mann bedeutete ihnen, Platz zu nehmen. Während seine Frau die Feuerstelle entzündete und einen Tontopf über das Feuer schob, schenkte er seinen Gästen aus einem irdenen Krug Wein in hölzerne Becher. Dann stand er auf, hob seinen Becher und prostete ihnen zu. »Ich danke euch, dass ihr mein Dorf vor dem Bösen bewahrt habt«, sagte er feierlich.
    Nach einer Weile begannen Nelson die Augen zu tränen. Zuerst dachte er, das läge am Wein, der ihm in den Kopf stieg. Dann aber erkannte er, dass der Rauch nur unvollständig aus dem Loch über der Feuerstelle abzog und stattdessen in dünnen Schwaden durch den Raum waberte.
    Die Frau stellte vier Holzteller auf den Tisch, dazu geschnitzte Löffel und nahm sodann den Topf vom Kamin, aus dem sie jedem einen großen Schöpfer voll auf den Teller klatschte.
    Nelson schluckte. Was da vor ihm stand, war eine Art Brei, der weder appetitlich aussah noch duftete. Verstohlen blickte er zu Judith hinüber, die ebenso angewidert auf ihren Teller starrte. Nelson nahm den Löffel in die Hand und wünschte sich heftig, dass sich die Pampe auf seinem Teller in einen Big Mac verwandeln möge. Der Brei schmeckte nach nichts und Nelson spülte mit einem tiefen Schluck Wein hinterher. Beim nächsten Löffel versuchte er den Geschmack zu ergründen und tippte auf eine Mischung aus Getreide und Gemüse, das er nicht kannte und das die Köchin anscheinend auch nicht gewürzt hatte.
    »Was war es, das euch so erschreckt hat?«, fragte Judith zwischen zwei Bissen. Es war das erste Mal, dass sie das Wort an ihre Gastgeber richtete. Dabei gab sie sich Mühe, ihre Stimme tiefer klingen zu lassen.
    »Rainald hat den Antichristen geschaut«, erwiderte der Hausherr nach einem kurzen Moment des Zögerns. »Unweit vom Dorf hat der Dämon nach seiner Seele gelangt. Und jetzt haben viele Furcht, dass uns das Böse die Pestilenz auf den Hals schickt oder die Ernte zerstört.«
    »Wie hat er denn ausgesehen, der Antichrist?«, hakte Judith nach.
    »Rainald sagt, dass es ein nackter Riese war mit Hörnern auf der Stirn und einem Schwanz, der sich wie eine Schlange um den Baum ringelte. Rainald sagt, dass er Feuer zauberte aus dem Nichts und Brot und Käse, die er in einem Bissen verschlang. Rainald sagt, dass sich der Himmel verdunkelte, als er ihm

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