1228 - Der Monstervogel aus Atlantis
sagen, dass er nicht allein ist. Es ist immer jemand bei ihm.«
»Wer denn?«
»Du wirst es sehen, wenn es soweit ist.«
Unter dieser Antwort konnte ich mir alles vorstellen, nur nichts Vernünftiges. Ich hakte nicht mit weiteren Fragen nach, weil ich Myxin kannte. Was er nicht sagen wollte, das behielt er auch für sich. Da konnte man sich auf den Kopf stellen und mit den Beinen winken.
»Wir sind in seinem Gebiet«, sagte ich. »Aber ich sehe ihn nicht. Hält er sich versteckt?«
»Schau dich doch um. Diese Landschaft ist für Gryx ideal.«
Ich folgte Myxins Ratschlag. Außerdem hatte ich mich sowieso umsehen wollen. Das tat ich immer, wenn ich mich in einer fremden Umgebung befand. Da war es oft wichtig, sich schon bestimmte Fluchtpunkte zu suchen.
Ich kannte viele Gebiete des Kontinents. Sie gestalteten sich so unterschiedlich wie auch in meiner Welt. Abgesehen von den Städten gab es liebliche Gegenden mit reinem Wasser, klarer Luft und zufriedenen Menschen, die auf einer sehr hohen Zivilisationsstufe lebten, aber es gab auch das glatte Gegenteil.
Hohe Berge, auf denen nichts wuchs. Schluchtenartige Täler gehörten dazu, in denen der brodelnde Nebel nie richtig verschwand. Hinzu kamen die Sümpfe, die alles schluckten, was man ihnen zu fressen gab. Dämonen, unheimliche Gestalten, monströse Tiere, Bestien gleich, bevölkerten die andere Seite.
Magie war kein Fremdwort. Das Böse natürlich auch nicht, das immer wieder versuchte, in die Herzen der Menschen einzudringen, um sie zu zerstören.
Bei einigen schaffte sie es, bei anderen zum Glück nicht. Zu den Aufrechten hatte auch Delios, Karas Vater gehört, der seiner Tochter das Erbe hinterlassen hatte, eben das Schwert mit der goldenen Klinge. Nur sie und wenige Auserwählte waren in der Lage, es zu führen. Ich gehörte glücklicherweise dazu.
Delios hatte den Untergang geahnt, nein, schon gewusst, und er hatte es geschafft, seine Tochter zu retten, indem sie den Trank des Vergessens zu sich genommen hatte.
Der allerdings befand sich nicht mehr in ihrem Besitz. Der Spuk, ein ebenfalls mächtiger Dämon, hatte ihn an sich genommen und gab ihn auch nicht mehr her. Höchstens in ga nz großen Ausnahmefällen.
In London war es eine verdammt schwüle Nacht gewesen.
Hier herrschte Tag, obwohl es nicht strahlend hell war, aber hell genug, um viel erkennen zu können, und genau das wollte ich.
Da mich Myxin in Ruhe ließ, drehte ich mich langsam um die eigene Achse und nahm das auf, was sich meinen Augen bot.
Es war nicht die unheimliche, die menschenabweisende Gegend, in der wir uns befanden. Zunächst stellte ich fest, dass wir uns auf einer gewissen Höhe aufhielten, und zwangsläufig hatte ich von hier aus einen prächtigen Blick.
Ich schaute in einen fahlen Himmel hinein, auf dem sich die blassen Farben in verschiedenen Grautönen nebeneinander abmalten und an bestimmten Stellen ineinander übergingen.
Große Unterschiede waren weit über mir nicht auszumachen, und dort oben bewegte sich auch nichts, denn kein Vogel segelte durch diese fahle Welt.
Ich war recht zufrieden, weil mir aus der Höhe zunächst keine Gefahr drohte. Dann kümmerte ich mich um die Landschaft, die auf gleicher Höhe lag.
Wenn sie felsig, karstig war, so war das jedenfalls nicht zu sehen, denn uns umgaben nicht nur die Berge, wir waren auch von mächtigen Bäumen umgeben, die ich aus meiner Welt nicht kannte. Das waren keine Eichen, Platanen oder andere Laubbäume, sie sahen nur so ähnlich aus, aber ihre Stämme und auch das Geäst waren wesentlich dicker, ebenso wie das Laub dichter war.
Da auch ein gewisser Wind wehte und in die mächtigen Kronen hineinfuhr, bewegte er das Blattwerk, sodass es aussah wie ein gewaltiges, wellenbewegtes Meer, das zwischen Boden und Himmel schwebte. Und dies, so weit das Auge reichte.
Bestimmt gab es hier Täler oder sogar enge Schluchten, doch das Grün nahm mir jeden Blick. Es kam mir dabei so dicht vor, als führte nicht mal ein Weg hindurch.
Das war ein Dschungel, wie ich ihn in Atlantis noch nie zuvor gesehen hatte.
»Genug gesehen?«, fragte Myxin.
»Kann man das?«
»Ich denke schon.«
Meine Hand wies nach vorn und anschließend in die Runde.
»Wenn ich hier schaue, hat es für mich den Anschein, dass es überhaupt kein Durchkommen gibt.«
»Da irrst du dich, John. Du wirst es schon bald erkennen. Außerdem ist das seine Heimat.«
Ich wusste, dass er von Gryx gesprochen hatte, und fragte auch gar nicht erst nach. Aber
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