1228 - Der Monstervogel aus Atlantis
die Heimat eines Vogels, die so dicht bewachsen war, das konnte ich mir schlecht vorstellen.
Besonders wenn dieser Vogel riesig sein sollte.
Myxin sah noch immer meine Skepsis, die mir ins Gesicht geschrieben war. Er musste lachen. »Keine Sorge, John Sinclair, du wirst noch alles erleben.«
»Muss ich das?«
»Es ist besser.«
Mehr sagte er nicht, und das ärgerte mich. Natürlich war ich nicht aus Lust und Laune in das alte Atlantis geschafft worden.
Es gab immer eine Verbindung zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart, das hatten mich meine Erfahrungen gelehrt.
»Es ist ein kleines Paradies«, sagte Myxin noch. »Das hast du ja selbst sehen können.«
»Und wo ist der Haken?«
»Wir werden ihn schon finden.«
»Aber wir werden nicht hier oben bleiben, denke ich?«
»So ist es.«
Ich fragte nicht mehr weiter, denn wenn Myxin nichts sagen wollte, dann hielt er sich daran.
Ich hatte den gewaltigen Vogel noch nicht mit eigenen Augen gesehen, aber bei seiner Größe würde er sich nicht so leicht verstecken können. Ich dachte daran, dass sich ein derartiger Vogel auch irgendwo verstecken musste. Jedes Tier hat eine Höhle, und Vögel bauen Nester.
Das seinige musste gewaltig sein, davon ging ich aus, und ein derartiges Nest konnte man auch kaum übersehen.
Wir hatten uns auf einer recht großen und freien Fläche mit gutem Rundblick aufgehalten. Selbst von den Schatten der Bäume wurden wir nicht gestreift.
Einen letzten Blick warf ich zum Himmel, dann drehte ich mich um und folgte Myxin, der bereits vorgegangen war und am Beginn eines kleinen Hohlwegs auf mich wartete.
Als ich kurz vor ihm war, drehte er sich nach rechts und streckte seinen Arm aus. Er meinte den Weg, der sich durch den Wald in die Tiefe schlängelte.
»Er wird uns ans Ziel führen.«
»Schön. Und was erwartet uns da?«
»Lass dich überraschen.«
»Hört sich an wie eine TV-Serie!«
Myxin schüttelte den Kopf. »Schon gut«, sagte ich, weil ich keine Lust auf eine nähere Erklärung hatte. Stattdessen tippte ich ihn an und sagte: »Dann mal los…«
***
Ich hatte sehr optimistisch gesprochen, doch dieser Optimismus verging mir sehr schnell, als wir tiefer in den Wald eingedrungen waren. Obwohl ich schon viele Wälder kennen gelernt hatte, war mir dieser völlig neu.
Ich durchquerte ihn und hatte dabei den Eindruck, hinab in die Totenwelt zu steigen. In den Wäldern, die ich kannte, herrschte immer Leben. Da waren stets die Stimmen der Tiere zu hören. Mal ein Rascheln, mal ein Flüstern der Blätter, wenn der Wind mit ihnen spielte, doch hier gab es nur die Stille, die sich wie eine leichte Glocke um uns und den Wald gelegt hatte.
Auch der Wechs el von Schatten und Licht konnte den Eindruck nicht vertreiben, hinab in die Totenwelt zu steigen, aber ich fühlte mich nicht als Orpheus, der seine geliebte Eurydike aus dem Reich der Schatten befreien wollte.
Er hatte zumindest ein Motiv gehabt, ich aber wusste noch immer nicht, wohin mich dieses Abenteuer letztendlich bringen würde. Ich stellte nur fest, dass sich die Luft, je tiefer wir drangen, immer mehr veränderte und an Feuchtigkeit zunahm, was meinem Atmen nicht unbedingt entgegenkam.
Myxin ging unverdrossen voran. Er kam mir vor wie ein Wanderer, der seine fast schon zwergenhafte Welt verlassen hatte, in der er sich ansonsten sehr wohl fühlte.
Je tiefer wir kamen, um so dichter wurden die Schatten, denn die mächtigen Bäume wuchsen immer mehr zusammen und nicht nur mit den Stämmen, sondern auch mit den Kronen, die sich über unseren Köpfen zu einem dichten Dach vereinigten, das nur noch Reste der fahlen Helligkeit des Himmels durchließ.
Ich musste jetzt verdammt Acht geben, wohin ich trat, denn der Boden glich keiner Asphaltstraße. Baumwurzeln hatten sich in alle Richtungen hin ausgebreitet und waren nicht nur unter der Erde geblieben.
Dem kleinen Magier machte das alles nichts aus. Er ging locker und fast tänzelnd über die Hindernisse hinweg.
Ich hatte noch immer kein Tier entdeckt und konnte mir einfach nicht vorstellen, dass der Wald so leer war. Es sei denn, man hatte ihn ausgeräubert, und von Gryx hatten sich auch noch keine Spuren gezeigt.
Hätten mich nicht Myxin und Kara in diesen Kontinent geführt, ich wäre mir deplatziert vorgekommen, aber die beiden hatten mich noch nie reingelegt. Wenn sie sich meldeten, dann brannte fast immer der Busch.
Als Myxin langsamer ging und schließlich stehen blieb, um sich zu orientieren, stellte ich ihm
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