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123 - Auf dem Insektenthron

123 - Auf dem Insektenthron

Titel: 123 - Auf dem Insektenthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Schwartz
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hochschreckte, aufgerüttelt wurde, was seine Sinne teilweise zurückkehren ließ. Er hörte ein Geräusch, das sich näherte und den Nachhall des Lärms draußen bald übertönte. Dieses Geräusch hatte er noch nie gehört, aber es erweckte eine unverständliche Angst. Ein Summen, ein Klicken und Knacken. Ein Scharren und Tappen. Ein sanftes Brummen, wie ein… Insekt?
    Ja… das war es wohl. Aber bei diesen vielen unterschiedlichen Geräuschen war es mehr als ein Insekt, etwa eine neugierige Flegge oder ein Moskiit, der sein Blut roch.
    Viel mehr.
    Und sie kamen näher, immer näher. Der junge Mann ahnte, dass dies keine Halluzination oder Ausdruck der Furcht vor dem endgültigen Tod war.
    Rulfan kommt zu spät, dachte Lester Dermitt in seinem letzten klaren Moment. Es ist vorbei. Sie sind da…
    Seine Hand zuckte, als er unerwartet eine Berührung spürte, ein Tasten, ein Krabbeln. Es war unangenehm. Reflexartig, aber viel zu kraftlos schüttelte er die Hand.
    Etwas kniff ihn ins Ohr. Stach in seine Haut.
    Er spürte etwas Klebriges. An der Hand. An der Wange.
    Auf den Lippen. Lester Dermitt riss die Augen auf, konzentrierte sich mit letzter Kraft, und sah undeutlich… sah…
    Was ein gellender Schrei werden sollte, kam nur als Stöhnen über seine Lippen, bevor er starb…
    ***
    »Hast du das auch gehört, Mama?«, fragte Lisi. Die Kleine hörte auf, die Erde zu gießen, stand auf und sah sich um. »Was ist das?«
    Ihre Mutter ließ die aus einem Chitinpanzer geschnitzte Hacke fallen, richtete sich auf, bog den Rücken durch und presste die Hände gegen die schmerzenden Lendenwirbel. Der Grabkäfer bohrte sich unterdessen unermüdlich weiter mit seinem gebogenen, starken Kopfpanzer durch das Erdreich und lockerte es auf.
    Belle wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn und hinterließ dabei eine Dreckspur. Das machte allerdings kaum einen Unterschied, denn ihr Gesicht war ohnehin staub- und rußverschmiert. Seife gab es schon seit drei Jahren nicht mehr, und niemand versuchte Ersatz herzustellen.
    Belle lauschte eine Weile. Dann schüttelte sie den Kopf.
    »Da ist nichts, Lisi. Du sollst doch nicht ablenken!«
    »Aber ich habe es bestimmt gehört!«
    »Wenn wir unser Soll nicht erfüllen, geben sie uns nichts zu essen. Das weißt du genau. Also mach weiter.«
    Lisi maulte, aber sie gehorchte. Sie schöpfte Wasser aus dem rostigen Kanister und träufelte es in die Löcher, die ihre Mutter hackte. Wenn sie dabei den Grabkäfer erwischte, schnarrte er empört mit den Flügeldeckeln. Dann streute Lisi das Saatgut hinein, das vor einiger Zeit ein Suchtrupp in einem halb verschütteten Lagerhaus gefunden hatte. Die Ruinen gaben immer weniger her, aber wenn man akribisch und planvoll suchte, konnte man durchaus noch etwas finden: Konservendosen, Tütensuppen, sogar halb versteinerte Schokolade.
    Der Einäugige tauchte plötzlich auf und kam an Belles Seite, ständig nach allen Seiten sichernd. »Heute Nacht wollen wir es wieder probieren«, flüsterte er. »Machst du mit?«
    Belle schüttelte den Kopf. »Nein, das weißt du genau. Du solltest es mir gar nicht erst erzählen! Je weniger ich weiß, desto besser.«
    »Belle, überleg es dir gut. Gerade wegen Lisi.«
    »Ich denke nur an meine Tochter. Ich riskiere nichts.«
    Der Einäugige spuckte auf den Boden. »Jeder Tag, den wir länger hier verbringen, ist ein Risiko! Mostroo und seine beiden Schläger sind unberechenbar. Und jeder hat Angst vor ihnen! Keiner wagt es, sich zur Wehr zu setzen. Sie halten sich für die Oberaufseher hier und paktieren mit diesem… diesem Ding!«
    Belle sah sich erschrocken um, als die Stimme des Einäugigen immer lauter vor Erregung wurde. Sie legte eine Hand auf seinen Arm. »Beruhige dich, Einauge!«, zischte sie.
    »Was für eine Wahl haben wir denn? Wir haben endlich genug Wasser gefiltert, dass es nicht völlig vergiftet ist, und können etwas Gemüse und Getreide anbauen.«
    »Ja, auf diesen lächerlichen Feldern, kaum größer als ein Handtuch! Glaubst du im Ernst, die werden uns ernähren? Vor allem kann in dieser Gegend nichts Gesundes wachsen!«
    »Wir müssen es wenigstens versuchen, sonst können wir uns gleich hinlegen und sterben! Wenn Mostroo sich nicht arrangiert hätte, wo wären wir dann? Entweder irgendwo dort draußen in der Steppe, verhungert und verdurstet, oder hier Insektenfutter und Brutkörper! Sieh es doch ein: Wir können nicht mehr weg. Wir waren damals dumm genug, hier auf große Schätze

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