1233 - Der Kunst-Vampir
noch zu einem kleinen Imbiss verabredet, den wir diesmal an der halbrunden Hotelbar in der Halle einnahmen.
Beide entschieden wir uns für ein Sandwich. Zwischen den beiden Hälften klemmte Putenfleisch und Salat. Beides war mit einer hellen Soße gewürzt worden.
Wir hatten uns jeder ein Glas Wein und eine Flasche Wasser bestellt. So richtig schmecken wollte es uns nicht, wenn wir daran dachten, wer hier in Weimar unterwegs war und auf Blutsuche ging. Dagmar war der Meinung, dass die kommende Nacht entscheidend sein würde.
»Da werden sie zuschlagen, John. Bisher war alles nur Probe, denke ich.«
»Auch bei Anita Köhler?«
»Ja. Da hat er einen Versuch unternommen und es auch geschafft.« Sie schlug mit der rechten Faust leicht auf den Tresen. »Mir will nicht in den Kopf, dass dieser Roy Peters nichts bemerkt hat. Er muss doch gesehen haben, dass der Vampir echt war. Ich habe es ja auch bemerkt.«
»Du schon. Aber vergiss nicht, wie perfekt sich unsere Freunde verstellen können. Sie bleiben in absoluter Ruhe zurück, sage ich dir. Da kannst du nicht unterscheiden, ob sie leben oder tot sind. Untot, in diesem Fall.«
Dagmar verzog die Lippen und tupfte etwas Soße weg.
»Gefällt dir das Wort untot eigentlich?«
»Nein, aber es hat sich eingebürgert. Wenn du genauer darüber nachdenkst, ist es Unsinn.«
»Das meine ich auch. Nur frage ich mich, was die Cavallo vorhat. Welcher Plan steckt dahinter? Ich kann dir die Antwort nicht geben, ich bin damit nicht so vertraut. Selbst Harry musste passen. Es waren auch nur Gerüchte, und die Polizei hier in Weimar hat sie gar nicht richtig ernst genommen. Ich wundere mich sowieso, dass man sie weitergeleitet hat.«
»Zum Glück.«
Ich trank einen Schluck Wein und schob den leeren Teller von mir weg. Der Kellner fragte, ob es geschmeckt hatte, wir bejahten, und ich bat um die Rechnung, die ich unterschrieb, sodass der Betrag aufs Zimmer gebucht wurde.
»Und wann starten wir, John?«
Ich schaute auf die Uhr. Wenn die Party pünktlich angefangen hatte, dann war sie bereits seit einer Stunde eröffnet worden. Ich ging davon aus, dass sie zahlreiche Gäste anzog, denn diese kleinen Feste waren etwas für eine bestimmte Anzahl von Menschen, die sich zur dunklen Szene hingezogen fühlten.
Das Wasser war bereits in meinem Magen verschwunden.
Jetzt trank ich auch den restlichen Wein aus und rutschte vom Hocker. »Ich denke, wir sollten uns auf den Weg machen.«
»Nichts dagegen.«
Man wünschte uns noch einen schönen Abend, dann gingen wir quer durch die Halle auf den Ausgang zu und ließen uns von der Drehtür nach draußen schaufeln.
Es war noch nicht dunkel, aber die Stadt hatte ihr helles Gewand bereits verloren. Die Dämmerung stahl sich vor. Der Himmel war grau geworden, doch von einem kalten Wetter konnte man nicht sprechen. Mir kamen die Temperaturen sogar noch wärmer vor als am Nachmittag. So war es nicht verwunderlich, dass wir auf unserem Weg nicht wenige Menschen sahen, die es sich vor den Lokalen gut gehen ließen oder auf ihren Balkonen saßen, wo sie aßen, tranken und sich unterhielten.
Weimar atmete aus. Das war zu merken. Die Geräusche des Tages hatten sich zurückgezogen. Die abendliche Stille herrschte vor, und wenn Autos fuhren, dann klang das Geräusch ihrer Motoren schon etwas störend. Beide wussten wir, dass jetzt die Zeit der Blutsauger beginnen würde, aber zu sehen waren sie nicht. Sie würden durch Hinterhöfe schleichen, sich noch immer versteckt halten, um dann aus ihren Verstecken zuschlagen zu können.
Dass die Vampirparty schon im Gang war, hörten wir, bevor wir den Hof erreichten. Uns wehte eine bestimmte Musik entgegen. Es waren keine traurigen Melodien, aber oft sehr schwermütige Sequenzen. Songs wie sie die Grufties oder die Schwarzen liebten. Sie entsprachen genau ihrer Stimmung.
Der Eintritt war nicht frei. Wir mussten jeweils einen Bon lösen. Für zwanzig Mark konnten wir essen und trinken, was und so viel wir wollten.
Unser Alkoholkonsum würde sich in Grenzen halten. An der kleinen Kasse am Eingang saß eine junge Frau mit rot gefärbten kurzen Haaren, reichte uns die Bons und wünschte uns viel Spaß, wobei sie nicht lächelte.
»Wie läuft es denn so?«, wollte ich wissen.
»Gut.«
»Ist Roy zufrieden?«
»Glaube schon.«
»Aber heute Nachmittag fehlte das wichtigste Ausstellungsstück«, sagte Dagmar.
»Ich weiß.«
»Hat man es zurückgebracht?«
Sie zuckte mit den Schultern. Wir bekamen keine
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