1238 - Justines Blutfest
Ruine sehen müssen, aber nicht mal die Lichter in den anderen Häusern schimmerten durch den wallenden Dunst.
Selbst das Rauschen des Meeres klang nicht so laut wie sonst.
Die Atmosphäre war unheimlich geworden, und ich sah sie als ideal für Vampire an. In diesem Schutz würden sie sich mehr als sicher bewegen können. Und sicher war Amy Carry auch hier nicht. Aber es gab kaum Alternativen. Wir würden uns so gut wie möglich auf die Suche machen. Vielleicht stand uns das Glück zur Seite, sodass wir Amys Eltern oder auch Kevin Taggert fanden. Die Vorstellung, dass sie zu lebenden Toten mutiert waren, ließ mich schaudern.
Ich schloss das Fenster wieder. Wenn Amy wollte, dann konnte sie an unserer Seite bleiben. Allerdings machte sie nicht den Eindruck, als würde sie sich das wünschen. Sie lag noch immer auf dem Rücken und hatte jetzt die Hände gegen ihren Kopf gelegt, als wollte sie die Schmerzen dort zurückdrücken.
»Gibt es in diesem Haus Tabletten?«, fragte ich sie.
»Die brauche ich nicht. Ich komme schon so zurecht. Ich möchte jetzt nur meine Ruhe haben und etwas liegen. Eine Stunde oder zwei. Dann haben wir ja Mitternacht. Das ist doch ihre Zeit - oder?«
Ich zuckte die Achseln. »So genau kann ich Ihnen das nicht sagen. Man geht davon aus, doch ich sehe das etwas anders. Die Dunkelheit ist ihre Chance, und die haben wir ja schon seit einigen Stunden. Da brauchen sie nicht unbedingt auf die Tageswende zu warten. Es gefällt mir nicht, Sie allein hier zurückzulassen.«
»Ich komme schon zurecht, John. Tun Sie mir einen Gefallen?«
»Gern.«
»Auf dem Schrank liegen die beiden Stauden. Ich hätte sie gern in meiner Nähe.«
»Klar.« Ich holte die beiden Knoblauchstauden vom Schrank herunter.
Amy lächelte zart, als sie mir ihre Hände entgegenstreckte.
»Bitte, John, legen Sie sie auf mein Bett.«
Das tat ich.
Amy strich mit beiden Händen darüber hinweg und flüsterte dabei: »Ob sie mich wohl schützen werden?«
»Die Menschen früher haben darauf vertraut.«
»Das weiß ich.« Für einen Moment wurde ihr Blick hart.
»Aber sie haben damals auch auf das Kreuz gesetzt. Das versuchte ich auch, und ich habe verloren. Es tut mir Leid für uns alle. Die alten Regeln gelten nicht mehr. Sie sind auf den Kopf gestellt worden.«
»Das kann man so nicht sehen, Amy.«
»Warum nicht?«
Ich lächelte schmal. »Es gibt bestimmte Vampire, die sehr mächtig geworden sind. Ich will es mal so ausdrücken. Sie haben sich angepasst und entsprechende Konsequenzen gezogen. Sie handeln zwar noch wie die alten Blutsauger, aber sie passen sich immer mehr den Menschen an oder haben ihr erstes Leben nicht vergessen.«
»Dazu gehört auch die Blonde, wie?«
»Ja, leider. Justine Cavallo ist eine von diesen Wesen. Hinzu kommt ihre Raffinesse und Schläue. Es ist nicht einfach, sie zu besiegen, das haben auch wir erfahren müssen, Amy. Auch uns ist sie bisher immer wieder entwischt, aber sie versucht es weiterhin. Sie gibt nicht auf, weil sie das Ziel nicht aus den Augen lässt und zudem noch einen sehr mächtigen Helfer im Hintergrund hat.«
»Welches Ziel hat sie denn?«
»Die Herrschaft. Sie unterstützt die Herrschaft der Blutsauger. Sie will sie auf der gesamten Welt verteilen, und darüber kann ich nicht mal lächeln.«
»Ich auch nicht, John. Ich glaube Ihnen jedes Wort, obwohl es mir nicht leicht fällt. Aber ich weiß nicht, was diese Justine hier auf der Insel gewollt hat. Können Sie mir nicht helfen?«
»Nein, Amy, nicht direkt. Ich kann mir nur vorstellen, dass sie sich einen Stützpunkt aufbauen wollte, das ist alles.«
»Hier in der Einsamkeit?«
»Ja. Sie hätten die Menschen hierher schleppen können. Eine Insel der Vampire wäre ideal gewesen, aber das sind alles Spekulationen. Ich weiß nicht, was tatsächlich hinter ihren Plänen steckt.«
»Dann bin ich ja nicht allein dumm«, sagte sie leicht lächelnd.
»Das hat damit nichts zu tun.«
Amy wechselte das Thema. »Werden sie kommen, John? Werden sie versuchen, mich zu holen? Werde ich meine Eltern als blutgierige Geschöpfe erleben?«
Es brachte nichts, wenn ich um den heißen Brei herumredete.
Deshalb sagte ich: »Sie müssen damit rechnen, Amy. Wer sich so verändert hat, der hat auch alle Brücken hinter sich abgebrochen und kennt keine Verwandten. So locker dies auch klingt, aber das ist ernst gemeint. Aber es muss nicht sein. Es ist möglich, dass wir sie abhalten können. Wir werden jedenfalls alles tun.«
»Danke«,
Weitere Kostenlose Bücher