1239 - Der Einsame der Tiefe
Körper kriechen. In einer Panikreaktion wollte er sich in das Innere des Sphäroids zurückziehen, aber er wußte nicht, was er damit anrichtete. Also ließ er es bleiben und erlebte lieber hautnah mit, was zu entstehen begann.
Der Nebel begann zu wallen. Undeutliche Gestalten waren in Seinem Innern zu erkennen, Manifestationen aus einem Gebiet oder einer Zeit, die bis jetzt nur zu erraten waren. Die Tatsache, daß sie vorhanden waren, implizierte jedoch, daß sich aus ihnen etwas entwickeln würde.
„Bei der Tiefe!" kam es aus dem Körper des Jaschemen. „Was ist es? Erweckt es nicht den Eindruck, als manifestierte sich das Zentrum des Bösen hier? Das Land Ni?"
Ein schrilles Lachen klang auf. Es kam nicht aus der Kuppel, nicht von der Miniatur. Es war das neblige Gebilde, das in seiner Gänze lachte und sich über etwas amüsierte. Über ihn?
Gnarrader Blek preßte sich an die nachgiebige Außenhaut des Sphäroids. Er spürte die Wärme dieses Gebildes und erinnerte sich daran, daß es auch auf eine ähnliche oder identische Weise entstanden war. Nur war er damals von dem Vorgang so überrollt worden, daß er nur die Hälfte mitbekommen hatte. Er pries alle Vitalenergiespeicher der Tiefe dafür, daß er den Vorgang in gesättigtem Zustand miterleben durfte.
Der Nebel wurde dunkelgrau bis schwarz. Die schemenhaften Gestalten in seinem Innern nahmen eine rötliche Färbung an. Sie bildeten Leuchtfeuer in der Düsternis.
Manche von ihnen kamen dem Jaschemen gefährlich nahe. Sie verloren langsam ihre Transparenz, und er erkannte Umrisse von Körpern und schließlich ganze Gestalten.
Noch keiner von ihnen war er persönlich begegnet, aber plötzlich sah er ein Wesen, das wie ein alter, knorriger Baum wirkte und ein paar andere vor sich her jagte.
Beim Anblick des Baumes bekam Gnarrader Blek einen Frostanfall. Sein Körper schüttelte sich, und die Idee, die sich seinem Geist aufdrängte, war so abwegig, daß er in hysterisches Kichern ausbrach.
„Nein", ächzte er und seufzte tief. „Beim Vagenda. Nur das nicht. Was geschieht hier?
Warum bleibt nichts im Tiefenland auf seinem Platz? Es geht doch nicht. Das ist viel zu groß. Das ist so groß wie ein Kontinent. Es hat hier Platz, aber es ist dennoch viel zu groß. Wie soll ich es versorgen!"
Es kam. Wogegen er sich mit aller Kraft wehrte, trat ein. Aus dem Nebel bildeten sich die Umrisse einer unüberschaubaren Gebäudeflucht, Überall zwischen ihnen bewegten sich Gestalten, und er beobachtete sie entsetzt. Sahen sie ihn nicht? Wußte keine von ihnen, wer er war?
Der Nebel verschwand ganz. Seine äußersten Schwaden bildeten so etwas wie eine Mauer, die hoch in den Himmel ragte. Aber sie war durchsichtig, und Gnarrader Blek erkannte in einer Sekunde geistiger Klarheit zwischen den ihn umnachtenden Gedanken, daß dies nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmte. Die Realität war anders, und auch die Proportionen stimmten nicht ganz. Was da materialisiert war und nun endgültig feste Konsistenz annahm, war nicht das Objekt selbst, sondern eine geschrumpfte oder miniaturisierte Ausgabe.
Still lag sie da. Die transparente Mauer ließ keinen Schall durch, und der Jascheme verhielt sich wie damals, als das Sphäroid aufgetaucht war. Er trat vorsichtig an das Gebilde heran. Er betastete es. Die Mauer war hart, viel härter als die Wandung des Sphäroids. Er klopfte dagegen, aber die Wesen dahinter wurden nicht auf ihn aufmerksam. Sie hörten und sahen ihn nicht. Für sie war die Mauer undurchdringlich.
Es ist nicht möglich, daß so etwas geschieht, versuchte der Jascheme sich zu beruhigen. Es darf nicht möglich sein.
Unruhe befiel ihn. Was wurde aus seinem Arbeitsbereich, wenn das immer so weiterging? Wann quollen die Anlagen und die Dimensionsräume über von Dingen, die eigentlich nicht hierher gehörten, sondern „hinunter" in die Tiefe?
„Ha, ha!" hörte er eine laute Stimme. Er bog ein Auge zur Seite und sah, daß der Winzling aus dem Sphäroid herauskam. Er deutete mit seinen kleinen Gliedmaßen auf die Materialisation. „Was hast du dir nur dabei gedacht? Wie sieht dein nächster Pfusch aus?"
„Ich werfe dich gleich gegen die Mauer", schrie Blek unbeherrscht. „Sieh dir das Ding nur genau an!"
Der Winzling eilte herbei und betastete die Mauer und roch daran.
„Neutral wie alles hier oben", stellte er fest. „Aber was hast du, Gnarrader Blek?"
Der Jascheme war zu Boden gesunken. Er hatte nicht seine Passivgestalt angenommen, aber er
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