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124 - In der Gewalt der Daa'muren

124 - In der Gewalt der Daa'muren

Titel: 124 - In der Gewalt der Daa'muren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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lag nicht einmal drei Speerwürfe entfernt vom Osttor. Drei Pottsdamer wälzten sich verletzt am Boden, zwei hatte der Riese unter sich begraben, die restlichen drei wehrten die wütenden Angriffe der Waldmänner und des Doyzdoggers ab. Rudgaar zog sein Kurzschwert und trennte die Maschen des Netzes auf.
    Fackelschein und Schritte näherten sich von Westen. »Die Burgwache!«, schrie Alv. Der Gegner seines Vater lag zuckend und mit durchbohrter Kehle in seinem Blut. Von hinten rammte Guundal sein Schwert in den Rücken des Kämpfers, der seinen Sohn mit kraftvollen Schwerthieben bedrängte – Rudgaar verabscheute den gnadenlosen Kampfstil der Waldmänner. Der Riese richtete sich auf und riss sich das Netz von Brust und Kopf. Rudgaar schoss einen Pfeil nach dem anderen auf die von Fackelschein erhellten Burggardisten ab. Die noch knapp achtzig Schritte entfernten Pottsdamer spritzten auseinander und suchten Deckung. Greif tänzelte um seinen Herrn herum und bellte wütend.
    »Weg hier!« Guundal rannte in die Gasse, die zwischen windschiefen Häusern und Palisade zum Geheimtor führte. Er winkte seine Gefährten hinter sich her. Sein Sohn folgte ihm bereits. Der Riese wollte an Rudgaar vorbei stürmen und sich auf die etwa vierzehn Angreifer aus der Fürstenburg stürzten.
    Er schwang einen erbeuteten Speer und schnaubte vor Zorn.
    »Es sind zu viele!« Rudgaar packte einen Zipfel des Sacktuchs, das den Oberkörper des Hünen verhüllte. Der Kerl war zwei bis drei Köpfe größer als er. »Wir kennen einen Fluchtweg…!« Er ließ den Koloss erst los, als der widerwillig hinter ihm her schaukelte. Er schüttelte seine Fäuste in Richtung der Verfolger, drohte zurückzukehren, jedem einzelnen den Hals zu brechen und manches mehr, das Rudgaar nicht verstehen konnte, weil es im Lärm ihrer Schritte und im Rasseln ihrer Atemzüge unterging.
    Dann endlich das Tor. Alv, sein Vater und der Hund schlüpften durch. Schon flackerte Lichtschein vieler Fackeln zwischen Fassaden und Palisade. Keine vierzig Schritte mehr trennten die Verfolger und die Flüchtlinge. Die ersten Pfeile schrammten über Hauswände oder schlugen im Palisadenholz ein. Auf Knien und Händen zwängte der Riese seinen massigen Leib durch das enge Tor. Rudgaars Herz hämmerte ihm in Schläfen und Kehle. Mit letzter Kraft schlüpfte er durch das Tor, drückte es zu und schloss ab. Die Welt um ihn herum schien zu rotieren. Mit dem Rücken lehnte er gegen das Tor.
    Seine Knie gaben nach und er rutschte ins Gras. Hinter der Palisade hörte er die Pottsdamer fluchen. Offenbar hatte keiner einen Schlüssel für den geheimen Durchschlupf bei sich.
    Greif winselte, stieß seine feuchte Schnauze an Rudgaars Hals, schnappte nach dem Ledermantel seines Herrn, wie um ihn aus der Gefahrenzone zu zerren. Über ihnen, auf dem Wehrgang, näherten sich Schritte. »Was ist los, Kerl?« Der Riese beugte sich zum Hundemeister hinunter. »Machst du schon schlapp, oder was?«
    Bevor Rudgaar antworten konnte, packte ihn der Koloss, nahm ihn auf die Arme wie ein Kind und schaukelte in die Dunkelheit hinein. Die Mais- und Roggenfelder waren längst abgeerntet oder gemäht. Der Riese suchte in einer Obstplantage Deckung vor den Pfeilen von der Palisade.
    Der Waldrand kam in Sicht. Rudgaar blickte über die Schulter seines Trägers. Vor dem Osttor leuchteten Fackeln, siebzehn, achtzehn und mehr. Rasch verteilten sie sich und kamen näher. »Lass mich runter!«, herrschte er den Riesen an.
    Auf keinen Fall wollte er, dass Alv und sein Vater ihn auf den Armen dieses Hünen sahen. Der Riese gehorchte. Seite an Seite erreichten sie den Wald. Dort warteten Guundal und Alv.
    »Ich bin Watzlowerst«, keuchte der Riese. »Und wer Watzlowerst das Leben rettet, dem gehört Watzlowersts Leben. Folgt mir!«
    Sie liefen wenig mehr als zwei Speerwürfe weit in den lichten Wald hinein. Am Himmel glitzerten die Sterne, und die Sichel des Halbmondes leuchtete. Rudgaar kämpfte gegen seinen revoltierenden Kreislauf, gegen Atemlosigkeit und Brechreiz. Er fragte sich, wohin der Riese sie führen mochte, und wie lange es höchstens dauerte, bis die Pottsdamer Häscher sie eingeholt hatten. Selbst bei Nacht würde es ein Kinderspiel sein, der Schneise ihrer Spuren im Unterholz zu folgen.
    Sie erreichten einen von Büschen bestandenen, annähernd quadratischen Platz. Rudgaar blinzelte ins Halbdunkle und erkannte flache Ruinenbauten unter verwelktem Farn und jungen Birken. Der Hüne, der sich Watzlowerst

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