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124 - In der Gewalt der Daa'muren

124 - In der Gewalt der Daa'muren

Titel: 124 - In der Gewalt der Daa'muren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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nur dann, wenn Nebel aufzog, der den Rauch leidlich tarnte. Die Berichte aus Pottsdam hatten dem Scheff nicht gefallen. Er fürchtete eine Strafexpedition auf Frekkeuschern und Andronen. Bei Nacht waren Feuer aus der Luft leicht zu erkennen, und tagsüber sah man ihren Rauch schon von weitem aufsteigen.
    Bald erfüllte der Duft von Bratfisch die großen Räume. Es wurde warm, und die gesamte Sippe – einundfünfzig Köpfe einschließlich der Säuglinge, des Riesen und Rudgaars Familie – lagerte sich im Moos unter der relativ gut erhaltenen Saaldecke. Die wenigen Lücken bedeckten Farn und Wurzelgeflecht von außen. Rudgaar hatte gehört, dass die Alten in solchen Sälen einst ihre großen Wagen abgestellt hatten. Wollte man den Legenden glauben, konnten in jenen Wagen viele Menschen große Strecken zurücklegen, ohne dass ein Tier sie ziehen musste.
    Die jungen Frauen verteilten Fisch und Stücke von in der Glut gegarten Tofanen, Wasserkrüge kreisten. Watzlowerst hockte neben Rudgaars Familie. Ohne mit der Wimper zu zucken hatten die Frauen ihm die doppelte Portion zugeteilt – auf eine drei Tage alte Anordnung des Scheffs hin.
    Die ersten vier Tage in Luukwald hatte Brunor den Riesen mit großer Skepsis beäugt. Rudgaar gegenüber ließ er kein einziges Wort des Unwillens fallen, aber seiner Miene war überdeutlich abzulesen, dass er den Koloss erstens für einen überflüssigen Mitfresser und zweitens für gefährlich hielt. Er musste sein Lager drei Speerwürfe außerhalb der Ruinen Luukwalds aufschlagen, weil die Kinder und Frauen ihn fürchteten. Erst als Watzlowerst sein gesamtes Diebesgut unter den Waldleuten verteilt und am vierten Tag zwei erlegte Kamauler und einen großen Wisaau-Eber angeschleppt und die gesamte Sippe zum Festmahl eingeladen hatte, erst seitdem war das Eis gebrochen: Watzlowerst durfte eine der Ruinen in der Nachbarschaft des Scheffs beziehen und Brunor begann ihn als wertvollen Fleischlieferanten zu schätzen.
    Nach dem Essen legte Rudgaar seinen Kopf in Magadahs Schoß und ließ sich Bart und Haar bürsten. Eine verwitwete Schwiegertochter des Scheffs war bedenklich nahe an Watzlowerst herangerückt, ein ungewöhnlich großes und fettes Weib namens Doorin. Die Frau machte dem Riesen schöne Augen und löcherte ihn mit Fragen. Ob er denn keine Familie habe, wollte sie irgendwann wissen.
    »Tot«, sagte Watzlowerst. »Leute aus einem Dorf haben alle erschlagen – Vater, Mutter, meine Frau, meine Kinder. Sind besoffen gewesen, haben unsere Höhle gestürmt und dann mit Sensen und Äxten gewütet.« Er fuhr sich mit der Handkante über den Kehlkopf und stieß einen Knacklaut aus. Rudgaar, der die ganze Geschichte kannte, fand es diplomatisch von Watzlowerst, den Grund des Überfalls zu verschweigen: Ein paar Tage zuvor nämlich hatte die Riesensippe zwei Dorfbewohner geraubt und verspeist. »Bin abgehauen, als Einziger, ganz weit nach Norden, bis in den Wald hier. Schöner Wald.« Er feixte und sah für einen Moment aus wie ein Riesenbaby. »Und schöne Frau…«
    Doorin gab sich keine Mühe, ihr Entzücken zu verbergen.
    Sie wurde rot und rückte noch näher heran. »Und wie stellt man das an, der Königin von Beelinn zwei Frekkeuscher und eine Androne samt Zaumzeug und Sättel zu klauen?«
    »Oh! Hab ich nicht geklaut!« Abwehrend hob er die Hände.
    »Hab ich ehrlich gekauft!« Die Bewunderung in Doorins Miene machte einer gewissen Skepsis Platz.
    »Und was hast du gezahlt?«, mischte Rudgaar sich ein.
    »Prügel.«
    »Wie, ›Prügel‹?«
    »Hab einem Mann und seinem Dämon die Prügel nicht verpasst, die sie verdient hatten.« Die Männer und Frauen um die Feuer brachen in schallendes Gelächter aus, Doorin schmachtete den Hünen mit neu entfachter Bewunderung an.
    Rudgaar erinnerte sich an eine Sache, die Tilmo ihm vor über einem Jahr erzählt hatte. »Wie hieß der Mann?«, fragte er, als die Erheiterung um die Feuerstellen sich gelegt hatte.
    »Maddrax. Und Black sein Dämon.«
    Diesmal lachte keiner. Dafür ertönten überall im Saal Ausrufe des Staunens und der Bewunderung. Die Sippen der Waldmänner wussten über alles Bescheid, was sich in den Siedlungen tat. Auch dass ein gewisser Maddrax im Sommer des vergangenen Jahres für einen halben Mond König von Beelinn gewesen war, weil man Königin Jenny entführt hatte, wussten diese Leute.
    »So, so…« Rudgaar hatte sich aufgerichtet. Kopfschüttelnd feixte er den Riesen an. »Du hast also schon Geschäfte mit dem Vater

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