124 - In der Gewalt der Daa'muren
Fluginsekten laden und befestigte stattdessen einen dritten Hundekäfig mit Greif an einem der Frekkeuscher. Er wollte mit Tilmo, Watzlowerst und Guundal nach Beelinn vorausfliegen, um sich selbst ein Bild der Lage zu machen.
Brunor suchte sechzehn waffenfähige Männer aus. Noch am Nachmittag wollte er mit ihnen nach Nordosten aufbrechen, um nach dem Mädchen und seinen Begleitern zu suchen.
Irgendwo auf halber Strecke zwischen Beelinn und Luukwald hoffte er der Truppe von Oberst Bulldogg zu begegnen. Sieben Kämpfer ließ er zum Schutz der Frauen und Kinder im Lager zurück.
Zum Abschied küsste Rudgaar seine Familie. »Es ist besser, wir trennen uns erst einmal für kurze Zeit. Hier in Luukwald seid ihr sicher. Beelinn scheint mir im Moment kein guter Ort für Kinder zu sein.« Noch bevor die Sonne das nächste Mal aufging, sollte er an seine Worte denken.
***
Beelinn, Mitte Oktober 2520
Oberst Willman riss die Palasttür auf. Jenny betrat den Saal, in dem sie die Menen und Frawen Beelinns zu empfangen und anzuhören pflegte. Unwillkürlich flog ihr Blick zur Galerie hinauf: Hinter der Balustrade hing verlassen Anns Schaukel von der Decke herab. Der Anblick stach ihr ins Herz. Ihr zweiter Blick galt ihrem Sessel. Arnau saß darauf. Er trug seinen langen blauen Umhang und darunter einen Anzug aus schwarzem Leder.
Jenny blieb stehen. »Warte draußen, Willman.« Hinter ihr schloss sich die Tür. »Runter von meinem Thron!«, blaffte sie in Arnaus Richtung. Es war das erste Mal, dass sie ihren erhöhten Armsessel mit dieser Bezeichnung belegte. Arnau stand auf, stieg die drei Stufen hinunter und kam langsam auf sie zu. »Was hast du hier noch verloren!?«, zischte Jenny. Wut und Angst wühlten sie auf, ihr Gemüt war eine einzige Wunde.
»Verschwinde endlich aus Beelinn!«
»Wir brauchen ein paar stabile Häuser, möglichst unterkellert.« Er sprach, als hätte er nicht zugehört, als würde er Jenny nur als Befehlsempfängerin wahrnehmen. »Wir brauchen Gelände und Hallen. Du hast gesehen, dass meine Gefährten schwer beladen sind.«
»O ja, das habe ich!« Jennys Augen waren zu Schlitzen verengt, sie sprach gefährlich leise. »Was habt ihr mit den Atomwaffen vor?«
»Es geht um ein wichtiges Projekt. Am besten kümmerst du dich gar nicht um diese Dinge.« Schritt um Schritt kam er näher. Er wirkte gelassen, keine Eile trieb ihn, seiner Sache war er sich vollkommen sicher. »Wir werden einen Teil der Siedlungsmauer einreißen, wahrscheinlich die gesamte Ostseite. Dafür roden wir den angrenzenden Wald, bauen die Ruinen auf einem Streifen von dreihundert Metern wieder auf und integrieren sie in die Siedlung. Es wird nicht der letzte Transport sein, weißt du?«
»Komm mir nicht zu nahe!«, schrie sie. Er blieb stehen.
Völlig ruhig sah er sie an. »Wer immer du bist, was immer du planst – ich will nichts mit dir und deinesgleichen zu tun haben!« Jenny trat zur Seite und deutete auf die Tür. »Raus hier!«
»Dir bleibt gar nichts anderes übrig, als mit mir zu kooperieren. Und mit meinen Gefährten, die vor dem Osttor warten.«
»Willman! Deenis! Schafft mir den Kerl vom Leib!« Doch niemand öffnete die Tür, keiner der Gerufenen kam herein.
»Gib dir keine Mühe. Sie gehören zu mir. Wie übrigens viele andere in Beelinn auch; und alle Pottsdamer sowieso. Ich habe einen Virus verbreitet, der euch zu meinem gehorsamen Werkzeugen macht. Leider bist du dagegen immun, vermutlich weil du durch den Zeitsprung von der Synapsenblockade verschont geblieben bist.« Er zuckte mit den Schultern. »Also mussten wir einen anderen Weg finden, um dich zu kontrollieren. Geh jetzt und lass das Tor öffnen. Was nützt dir ein niedergebranntes Beelinn?«
Virus? Gehorsame Werkzeuge? Synapsenblockade?
Langsam, ganz langsam begriff Jenny. Wie hatte sie sich derart täuschen lassen können…? Die Wahrheit berührte sie wie ein glühendes Eisen. Johaan… sie hatte ihn töten lassen, dabei war auch er nur ein Opfer der Daa'muren gewesen!
Ihr Verstand zuckte zurück, verweigerte die Einsicht. Zu unfassbar, zu grausam war, was sich da plötzlich als Wirklichkeit vor ihm auftürmte. Sie verfluchte die eine Stunde, die Matt in jener Sommernacht zu früh gekommen war. Eine Stunde später, und Arnau – oder wer auch immer da vor ihr stand – wäre verbrannt.
»Gründlich nachzudenken ist nie ein Fehler«, sagte der blonde Mann, der in Wahrheit vermutlich wie eine Echse aussah. »Nur allzu viel Zeit solltest du dir
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