1243 - Sie lockten mit dem Jenseits
seinen rechten Zeigefinger aus und deutete auf die Waffe, ohne sie direkt zu meinen, »die gesamte Wahrheit ist so immens anders, dass sie Sie umwerfen würde, Mr. Conolly. Aber Sie werden sie sehen, ich brauche mich mit ihr nicht zu verstecken. Ich werde Ihnen die Wahrheit zeigen. Genau die Verbindung zwischen den beiden Zuständen.«
Bill wollte den Bleichen fragen, was er damit meinte, doch dessen Bewegung lenkte ihn ab, denn er erhob sich von seinem Sessel, ohne zuvor ein Wort gesagt zu haben. Um die Waffe in Bills Hand kümmerte er sich nicht. Er drehte dem Reporter seinen Rücken zu und näherte sich dem hellen Vorhang.
Bill ließ ihn gewähren. Trotz der Waffe befand er sich nicht in einem Vorteil. Der Bleiche bewegte sich wie jemand, der alles im Griff hatte. Zudem musste Bill sich selbst gegenüber zugestehen, dass auch er von einer gewissen Neugierde gepackt worden war. Der Stoff war zwar hell, aber nicht durchsichtig. Was sich dahinter verbarg, blieb dem Reporter verborgen.
Bevor der Bleiche den Vorhang zur Seite zog, blieb er noch stehen und drehte Bill den Kopf zu. Auf seinen Lippen zeichnete sich dabei ein wissendes und spöttisches Lächeln ab. Er betrachtete ihn zugleich mit einem gewissen Mitleid, dann bewegte er die Hand nach links und hielt dabei eine Falte des Vorhangs fest.
Unter der Decke war die schlichte Metallstange angebracht worden. Über sie bewegten sich die Haken hinweg, und durch die Stille erklang das leise Klirren.
»Achtung, Conolly!«
Ein heftiger Ruck! Der Vorhang wellte sich, er blähte sich auf und glitt zur Seite.
Dann war der Blick frei.
»Da, sehen Sie!«, rief der Bleiche und bewegte sich wie der Ausrufer in einer Zirkusmanege, der dem staunenden Publikum etwas Besonderes präsentierte.
Es war auch etwas Besonderes, was der zur Seite gezogene Vorhang enthüllte. Bill Conolly wusste nicht, womit er gerechnet hatte. Er hatte sich darüber auch keine weiteren Gedanken gemacht. Was er jetzt zu sehen bekam, überraschte ihn schon.
In der zweiten Zimmerhälfte standen zahlreiche Spiegel!
***
Es vergingen nur wenige Sekunden, da hatte sich der Reporter wieder gefangen und seine Überraschung überwunden. Tief in seinem Innern fühlte er sich auch erleichtert, zumindest im ersten Moment, obwohl er davon ausgehen musste, dass diese Spiegel bestimmt nicht so harmlos waren wie sie aussahen.
Sie hingen nicht an den Wänden, wie man vielleicht hätte annehmen können, sondern besaßen einen Kontakt mit dem hellen Fußboden. Standspiegel passte, und sie wirkten in ihrer Fassung beinahe wie fahrbare Garderobenständer, nur dass sie keine Räder oder Rollen hatten. An den Wänden sah er keine, aber diejenigen, die vorhanden waren, bildeten einen Halbkreis und standen sich dabei gegenüber. Von seinem Platz aus schaute der Reporter auf die zahlreichen Flächen und hätte sich aufgrund seines Sitzwinkels eigentlich in der einen oder anderen Fläche sehen müssen, was jedoch nicht der Fall war, denn die Flächen gaben das Bild eines Menschen oder eines x-beliebigen Gegenstands nicht zurück. Man schaute auf sie, ohne sich selbst zu sehen, und auch der Bleiche malte sich in keiner der Flächen ab.
Er sagte auch nichts. Kommentarlos ließ er eine gewisse Zeit verstreichen, damit sich der Reporter an die neue Situation gewöhnen konnte.
Die Gedankenwellen bewegten sich durch Bills Kopf. Er bekam keine Ordnung hinein. Er überlegte, er kam zu Entschlüssen, doch er wusste nicht, wie er eine Lösung für sich finden sollte. Die Spiegel jedenfalls hingen mit den Wegen zusammen, die ins Jenseits führten, das war ihm schon bewusst, doch er sah nicht, dass sich irgendwelche Wege in die andere Welt geöffnet hätten.
Aber sie waren da.
Für Bill stand fest, dass jede Spiegelfläche einen dieser Wege darstellte. Daran gab es für ihn keinen Zweifel. Zudem war der Reporter erfahren genug, um von gewissen Toren zu wissen, die in andere Welten führten. Transzendentale Durchgänge, die Menschen dazu verleiteten, in andere Dimensionen einzudringen, und genau das musste auch hier der Fall sein. Es gab die Wege. Sie glitten hinein in das Jenseits oder in eine Welt, die damit zu vergleichen war.
Dass er noch immer seine Beretta festhielt, kam ihm jetzt komisch vor, und deshalb ließ er sie auch sinken. Er steckte sie nur nicht weg und legte die Hand mit der Waffe auf seinen rechten Oberschenkel. Als dies geschehen war, fühlte er sich wieder besser.
Bisher hatte der Bleiche nichts gesagt.
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