1244 - Traumwelt Terra
war schwer zu übersehen. Wenn aber zwei völlig unerwartete - und in diesem Fall besorgniserregende - Ereignisse nahezu gleichzeitig stattfinden, dann erscheint zumindest der oberflächlichen Logik der Schluß unvermeidbar, es müsse das eine kausal mit dem anderen zusammenhängen.
Krisenstäbe tagten überall. Ihre Arbeit wurde behindert durch die Unzuverlässigkeit der Verständigung. In und über Terrania tummelten sich mehrere Millionen Sat-Technos, die stärkste örtliche Konzentration der Fremdgebilde, die bisher beobachtet worden war.
Es gab nur einen einzigen Lichtblick. Nachdem Galbraith Deighton dafür gesorgt hatte, daß die Virensäule auf dem großen Platz vor dem Hauptquartier der Kosmischen Hanse von starken Robot-Detachements bewacht wurde, war er selbst in die Kommunikationsnische der Säule getreten und hatte Verbindung mit dem Virenimperium aufgenommen. Der Kontakt erfolgte diesmal über einen der noch verbleibenden 20.000 Virochips. Der kontrollierende Sturmreiter war Stronker Keen, der ehemalige Leiter des PSI-TRUSTS. Infolgedessen gestaltete sich für Galbraith Deighton die Befragung des Virenimperiums wie eine Konversation mit Stronker Keen.
„Die zunehmende Verwirrung der terranischen Kommunikationssysteme wird von unserer Seite aus beobachtet", erklärte Keen auf Deightons Frage.
„Und - was ist dabei herausgekommen?" erkundigte sich der Sicherheitschef, ein wenig erstaunt über die Knappheit der Antwort.
„Die Sat-Technos haben die Hand im Spiel."
Deighton sah Keen, wie er ihn aus den Tagen des PSI-TRUSTS in Erinnerung hatte: hochgewachsen, breitschultrig, sportlich, mit kantigem Gesicht, hellblondem Haarschopf und hellwachen, intelligenten blauen Augen. Nichts an der psioptischen Darstellung wies darauf hin, daß Stronker Keen in Wirklichkeit nur noch die Größe eines Virus besaß. Er trug eine Montur, die einem herkömmlichen Raumanzug glich, mit geöffnetem Helm, und saß auf einem surfbrettähnlichen Gebilde. Es schien ruhig auf seinem Virochip zu sein. Es gab keine Informationsfluten zu bändigen, keine fliehenden Datenpakete zu verfolgen. Der Sturmreiter konnte sich dem Gespräch ohne Ablenkung widmen.
„Stronker, das können wir uns selber denken", sagte Galbraith Deighton vorwurfsvoll.
„Wir hatten erwartet, daß das Virenimperium uns etwas Handfesteres mitteilen könnte."
Keens Miene war sorgenvoll.
„Du weißt, wie es mit dem Virenimperium dieser Tage steht, Galbraith", antwortete er.
„Es läßt sich nicht mehr so ohne weiteres ansprechen. Es scheint - anders kann ich es nicht ausdrücken - seine eigenen Probleme zu haben. Es kümmert sich nicht mehr viel um die Außenwelt.
Manchmal dauert es Stunden, bis ich Kontakt bekomme."
„Also gut", seufzte Deighton. „Sag mir wenigstens, ob die Virochips in irgendeiner Weise von dem beginnenden Chaos betroffen sind."
„Das sind sie nicht", erklärte Stronker Keen - froh darüber, endlich eine eindeutige Auskunft geben zu können. „Virochips und Virenimperium sind unbeeinflußt. Letzteres, soweit ich die Lage beurteilen kann."
Als Galbraith Deighton die Virensäule verließ, war er nicht sicher, ob das Gespräch mit dem ehemaligen Chef des PSI-TRUSTS Anlaß zu Befriedigung oder Verzweiflung hätte sein sollen. Er empfand keines von beiden. Er fühlte sich so leer und hilflos wie zuvor.
Aber als er die Sache seinem Krisenstab vortrug, reagierte man dort mit Begeisterung.
„Solange das Virenimperium nicht beeinflußt ist, können uns die Sat-Technos nichts anhaben", erklärte einer der Stabsspezialisten.
Galbraith Deighton war nicht sicher, ob er sich dieser Ansicht ohne Vorbehalte anschließen könne.
*
„Das Problem ist", sagte Egin, „daß die Zacken im Integralspektrum der Sat-Techno-Emissionen, die du beobachtet hast, nicht mehr auftreten. Es gibt keine Möglichkeit mehr, eine Fehlleistung des Kommunikationssystems mit besonderer energetischer Aktivität der Technos zu korrelieren."
Fredo Gopher befand sich in bedauernswerter Lage. Es war fünf Tage her, seit er Egin das letzte Mal gegenübergestanden hatte, und in diesen 120 Stunden war seine Sehnsucht von Minute zu Minute gewachsen. Er hätte sich in dem kleinen wenn auch profund ausgestatteten Labor durchaus wohl gefühlt, wenn es ihm erlaubt gewesen wäre, einfach dazusitzen und Egin anzusehen. Statt dessen wurden ihm Probleme aufgetischt, mit denen sich der logische Teil seines Bewußtseins beschäftigen und für die er Lösungen liefern
Weitere Kostenlose Bücher