1247 - Die Druiden-Maske
Schlüssel gegeben. Warum sind die Särge noch nicht offen?«
»Wir sind nicht dazu gekommen.«
»Dann mache ich es.«
Sie erhielt den Schlüssel zurück, bückte sich und schloss die beiden Särge auf.
Wir halfen ihr dabei, die Deckel zu entfernen. Uns war jetzt klar, dass die Lösung nicht mehr in weiter Ferne lag, denn nun würde sich auch die Funktion der Skelette erklären.
Wenn wir richtig hinschauten, dann standen die beiden Särge genau zur Tür hin gerichtet. Das heißt zu einer Tür, die nur als Andeutung oder Umriss zu sehen war.
Suko und ich hielten uns zurück, weil wir die Frau nicht stören wollten. Hella Fontaine machte sich an die Arbeit.
Unsere Anwesenheit musste sie vergessen haben, denn sie kümmerte sich bei ihren Aktivitäten nicht um uns.
Sie trug noch den langen Mantel, aber keine Kapuze bedeckte die Hälfte ihres Kopfes.
Mit beiden Händen umfasste sie den Inhalt des ersten Sargs und hob das Skelett an. So weit, dass es im Sarg sitzen konnte und auch nicht zusammenfiel. Die Knochen waren stark genug, um nicht zu knicken.
Beim zweiten Skelett passierte das gleiche. Wir waren zu Statisten geworden, die außen vor standen. Aber wir griffen auch bewusst nicht ein, denn wir wollten die Tätigkeit nicht stören, die uns an ein Ritual erinnerte.
Beide Skelette saßen jetzt so, dass ihre Knochenfratzen der imaginären Tür zugedreht waren, als wäre sie der Eingang zum Paradies der Druiden. Aber von einer Maske war nichts zu sehen. Es war die Frage, ob es sie überhaupt gab.
Das mussten wir abwarten.
Hella Fontaine war mit ihrer Tätigkeit fertig. Auch jetzt sprach sie uns nicht an, sondern zog ihren Mantel aus. Bisher hatte sie ihn immer anbehalten. Nun sahen wir zum ersten Mal, was sie darunter trug. Es war kein dicker Pullover, es war auch keine Hose, sondern ein langes, helles, schlichtes Kleid, hochgeschlossen, das uns an ein Gewand erinnerte.
Den Mantel legte Hella quer über einen Sarg, richtete sich auf, drehte sich um - und schaute direkt auf mich, denn ich hatte mich vor sie gestellt.
»Was soll das bedeuten?«, fragte ich leise.
»Geh aus dem Weg. Stör mich nicht!«
Die Worte hätten mir nichts ausgemacht. Es war allein der Klang der Stimme, der mich stutzig werden ließ. Der passte nicht zu ihr. Die ganze Stimme war mir fremd vorgekommen, denn sie hatte mit einem rauen Unterton gesprochen und die Stimme hätte ebenso gut einem Mann gehören können.
Ich trat nicht zur Seite, sondern behielt sie im Blick. Über unserer beider Gesichter huschte dieses Wechselspiel des Fackellichts. Trotzdem erkannte ich den anderen Ausdruck, der sich auf die Züge der Frau gelegt hatte.
Sie sah jetzt hart aus. Oder härter. Entschlossener. Sie hatte die normale Welt vergessen und musste geistig bereits in eine andere eingetaucht sein. Hella Fontaine hatte es geschafft, sich innerlich in eine andere Welt zurückzuziehen.
Somit stand für mich fest, dass sie zwar ein normaler Mensch war, in Wirklichkeit jedoch diesem Leben bereits Goodbye gesagt hatte und nur noch für das andere existierte.
Hella Fontaine war eine Frau, die es tatsächlich geschafft hatte, den Weg nach Aibon zu finden. Das war ungemein selten, denn normalerweise blieb einem Menschen der Weg ins Paradies der Druiden verschlossen. Doch es kam immer wieder zu den berühmten Ausnahmen.
Wie auch hier…
Sie hob den rechten Arm an und schob mich zur Seite, ohne mich dabei richtig wahrzunehmen. Der Blick ging durch mich hindurch, und auch um Suko kümmerte sich die Frau nicht. Sie ging ihren Weg. Wie sie sich dabei bewegte, sah es aus, als wäre jeder ihrer Schritte genau abgezählt, was Suko und mich schon verwunderte.
»Aber sie weiß genau Bescheid«, flüsterte mir mein Freund zu. »Das ist keine Spielerei oder Täuschung.«
»Stimmt genau.«
Dann erstickte unsere Unterhaltung, denn wir wollten sehen, wie es weiterging. Sie bewegte sich wie auf Wolken. So ging man nur, wenn man sich selbst in Trance versetzt hatte oder einer unheimlich starken Konzentration verfallen war.
»Das ist ihr Vertrauen auf Guywano!«, kommentierte Suko leise, als Hella stehen geblieben war.
Sie hielt sich jetzt in einer Fluchtlinie zwischen den Särgen und dieser eingezeichneten Tür im Mauerwerk auf.
Wir schauten auf ihren Rücken. Ihn verdeckte vom Hals bis zu den Füßen das helle Kleid. Für mich hatte es die Funktion eines Totengewands übernommen. Ich fragte mich, wie weit die Frau gehen würde.
Sehr weit, wie wir schon kurze Zeit
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