1250 - Absalom
über ihn. Ebenso wenig wie Jane und Bill. Sie allerdings hatten ihn erlebt und wussten, wozu er fähig war. Er war ein Wunder und zugleich ein Phänomen, denn er war in der Lage, die Vergangenheit in die Gegenwart zu bringen.
Das hatten meine Freunde am eigenen Leibe erfahren müssen, denn durch Absalom war auch der verdammte Gladiator in diese Zeit geschafft worden, und er hatte die beiden töten wollen.
Hätte Bill Conolly nicht seine Goldene Pistole eingesetzt, wäre dies auch gelungen. Absalom hatte sich geschickterweise zurückgezogen, doch nun war er wieder da.
Ausgerechnet bei mir!
Ich hatte bisher nichts mit ihm zu tun gehabt. Er war für mich ein Phantom, und als ein solches sah ich ihn auch jetzt noch an. Ein Geist, ein Schatten, eine unheimliche Gestalt mit noch unheimlicheren Fähigkeiten. Er war der Schrecken aus der Vergangenheit und zugleich ein Botschafter.
Ich hoffte, dass er sich deutlicher zeigen oder aus dem Spiegel herauskommen würde, doch den Gefallen tat er mir nicht. Auch weiterhin blieb er im Hintergrund stehen, ohne dass er sich rührte. Er malte sich auch nicht deutlicher ab. Sein Gesicht war und blieb verschwommen, aber er meldete sich trotzdem, denn er schickte mir eine Botschaft zu.
Er redete nicht. Ich hörte keine Stimme. Weder ein Flüstern, noch halblaute Worte, und trotzdem verstand ich ihn, denn er meldete sich auch in meiner Sprache.
»Ich will dich sehen, John Sinclair. Ich will mit dir sprechen. Es ist wichtig. Wir müssen uns treffen, und es wäre gut, wenn du auch kommen würdest.«
»Klar«, flüsterte ich. »Alles, was du willst. Aber wir haben uns schon getroffen.«
»Nein, anders.«
»Und wie?«
»Hör zu…«
»Gern!«
Er ging auf die Ironie nicht ein. Seine Stimme befand sich in meinem Kopf. Flüsternde Worte, die sich zu einer Botschaft zusammenfanden, und die ich selbst deutlich verstand.
Ich hörte einige Male den Namen Mario. Immer und immer wieder wurde er mir gesagt. Dort sollte ich hin, und dort würde er mich erwarten. In dem Lokal.
»Denk an Mario…«
Daran dachte ich, aber ich wollte auch wissen, was er sonst noch vorhatte. Leider kam ich nicht mal dazu, eine entsprechende Frage zu stellen, denn seiner Meinung nach hatte er genug gesagt, und so konnte ich nur zuschauen, wie er sich aus der Spiegelfläche zurückzog. Ob er tatsächlich nach hinten ging, war unklar. Für mich sah es jedenfalls so aus, und ich war auch nicht in der Lage, ihn zurückzuhalten.
Er verwandelte sich noch mehr in einen Schatten, der schließlich von der Spiegelfläche aufgesaugt wurde und wenige Sekunden später nicht mehr zu sehen war.
Ich blieb in meinem Bad zurück, schaute auf den Spiegel und schüttelte nach einer Weile den Kopf.
Es lag nicht an den Nachwirkungen der vergangenen Nacht. Da hatte ich mir nichts eingebildet.
Diese Gestalt war echt gewesen,, auch wenn sie mit menschlicher Logik nicht zu begreifen war.
Aber ich hatte meine Erfahrungen mit Erscheinungen gesammelt. Absalom war nicht die erste, die mir über den Weg gelaufen war.
Warum wollte mich der Wanderer durch die Zeiten sprechen? Ich sah dafür keinen Grund. Wir beide waren bisher noch nicht zusammengetroffen, und auch der Treffpunkt war ungewöhnlich.
Mario besaß das Lokal an der Ecke. Ein Italiener nicht weit vom Yard Building entfernt. Dort saß ich hin und wieder, um etwas zu essen und zu trinken.
Ich war nie allein dort. Das Lokal wurde von vielen Kollegen frequentiert, weil es eben so günstig lag und man nicht durch Fast Food satt werden musste.
Dorthin hatte Absalom mich bestellt!
Nein, ich lachte nicht. Er hatte es auch nicht aus lauter Spaß getan oder weil er mir ein Essen ausgeben wollte. Irgendetwas wollte er von mir, und er wollte mir beweisen, dass er sich auch als fremde Person in einer anderen Welt wohl fühlte und dort zurechtkam.
Allmählich begann ich zu frieren. Das Fenster war noch immer nicht geschlossen. So konnte die kühle Luft eindringen und meinen nackten Oberkörper streicheln. Zwangsläufig hinterließ sie dabei auf meinem Rücken eine Gänsehaut. Das war mir zu viel. Nachdem ich einen letzten Blick in den Spiegel geworfen hatte, machte ich mich auf den Rückzug und betrat mein Schlafzimmer, in dem auch die Klamotten hingen.
Ich zog mich an und dachte dabei über Absalom nach. Wer oder was war er?
Zumindest besaß er einen alttestamentarischen Namen. Absalom hieß Vater des Friedens. Der Name stammte aus dem Hebräischen, aber als einen Vater des
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