1252 - Spur in die Vergangenheit
keiner von ihnen, aber van Akkeren war die Richtung bekannt. Und sie deutete auf den Ort Rennes-le-Château hin, in dem sich auch die von dem Abbé zu Ehren der Maria Magdalena gebaute Kirche befand.
Je tiefer sie gingen, umso schlechter wurde die Luft. Hin und wieder sahen sie die Feuchtigkeit an den Wänden, die sich dort gehalten hatte und an verschiedenen Stellen in breiten Bahnen schimmerte, die von oben nach unten liefen.
Der Weg blieb auf einer Ebene, aber sie würden auch nicht so leicht ins Freie gelangen, denn der Ort lag etwas erhöht. Wenn sie in dieser Höhe blieben, dann mussten sie in den Kellern ankommen.
Van Akkeren war nervös. »Wir schaffen es!« flüsterte er, »wir werden es schaffen. Geht nur weiter. Ich spüre es. Ich rieche und schmecke es. Wir sind dicht vor dem Ziel.« Er lachte scharf. »Noch ein paar Meter, und wir können zugreifen.«
Das war zwar übertrieben, aber im Prinzip hatte van Akkeren Recht. Es dauerte wirklich nicht mehr lange, bis sich der Stollen verbreiterte und schließlich in eine Höhle auslief, durch die das Licht der Taschenlampen geisterte.
Die Lichtfinger schwangen vom Boden hoch, drehten sich, damit die Höhle ausgeleuchtet werden konnte, und plötzlich huschten sie über etwas Bleiches hinweg.
»Noch mal zurück!«
Die beiden Männer gehorchten. Dann erwischten die drei Strahlen das, was von der Decke herab nach unten hing, den Boden aber nicht berührte. Der Gegenstand hätte auch in eine Geisterbahn gepasst, aber an dieser Stelle wirkte er unheimlicher.
Es war ein Skelett, um dessen Hals eine Schlinge geschlungen war. Blanke Knochen, auf denen weder ein Stück Haut noch ein Fetzen der alten Kleidung klebte.
Van Akkeren spürte, wie etwas siedendheiß in ihm hochstieg. Für wenige Sekunden hatte er das Gefühl, am Ziel zu sein, dann aber lachte er über sich selbst.
Nein, das konnte nicht stimmen. Das war unmöglich. Er glaubte nicht daran, dass sich eine Person wie Maria Magdalena selbst das Leben genommen und sich erhängt hatte. Das Skelett musste jemandem gehören, der vor ihnen schon hier gewesen war. Möglicherweise hatte er etwas so Schreckliches entdeckt, dass er sich aufgehängt hatte. Oder er war aufgehängt worden, weil die andere Seite einfach nicht wollte, dass das Geheimnis gelüftet wurde.
Van Akkeren gab ein meckerndes Lachen von sich. »Wir finden sie«, flüsterte er. »Wir werden die Knochen finden.« Er schnüffelte wie ein Suchhund. »Wir sind ganz nahe, ich spüre es.« Er lachte wieder, ging auf das Skelett zu und tippte es mit der Hand an. »Du hast es hinter dir, mein Freund, aber wir sind noch da.«
Er ließ die anderen zurück und ging an dem Knochenmann vorbei. Die Lampe hielt er vorgestreckt und leicht gesenkt, damit das Licht über den Boden streifen konnte. Seine kleinen Haare im Nacken stellten sich hoch, er spürte, dass er sich dicht vor dem Ziel befand. Er musste es nur noch entdecken und dann zugreifen.
Der runde Lichtkegel wanderte über den Boden wie ein suchendes Auge. Und so war es auch. Der Baphomet-Templer suchte die Gebeine. Er ging noch etwas vor - und schrie auf, als er die Öffnung sah.
Sie war rund, aber an den Seiten ausgefranst, und er erkannte sofort, dass es der Zugang zu einem Schacht war. Den Boden sah er in der Dunkelheit nicht, aber er leuchtete auch nicht hinein, sondern drehte sich herum und strahlte Julie Ritter an.
»Los, komm her!«
Julie hatte zitternd gewartet. Seit knapp einer Minute schon war ihr Bewusstsein dabei, sich zu verändern. Sie wurde von den Erinnerungen erwischt, die in zuckenden Schattenbildern hochhuschten und ebenso schnell wieder verschwanden wie sie gekommen waren.
Ihr war die Höhle unbekannt, aber die andere Person musste sich hier aufgehalten haben, und für sie war noch so etwas wie ein Odem der Maria Magdalena zu spüren.
Auch van Akkeren war nervös. »Na komm schon«, flüsterte er, »schneller, lass dir nicht zu viel Zeit. Ich bin am Ziel, ich spüre es, aber du sollst mir die Gewissheit geben.«
»Schon gut.«
Julie war zu nervös. Sie konnte ihre Gefühle nicht in Worte fassen, aber sie kam sich vor, als würde von allen Seiten etwas auf sie einstürmen und versuchen, sie fertig zu machen. Es war ein Rausch, der sich auch in ihrem Kopf ausbreitete. An dieser Stelle trafen sich die Vergangenheit und die Gegenwart, und alles war für sie so fremd.
Van Akkeren wartete auf sie. Sein Gesicht war nicht mehr als ein Schattenriss, aber ein böser und
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