1253 - Angst vor dem eigenen Ich
klar?«, fragte ich meinen Nebenmann.
Godwin nickte. Er kam mir vor, als hätte ich ihn aus einem langen Gedanken geholt. Er war damit einverstanden, dass wir die Truhe aus dem kleinen Grab hervorholten. Es war Platz genug für uns beide, und so kletterten wir hinein.
Das Grab war nicht tief. Man konnte es nicht mit einem normalen vergleichen. Als wir auf dem Grund standen, reichte uns der Rand gerade bis zu den Hüften.
Es gab keine Griffe an den Seiten. Also mussten wir die Truhe vom Boden anheben, was nicht so leicht war, denn sie klebte ziemlich fest und ließ sich kaum bewegen.
Wieder wurde es eine anstrengende Arbeit für uns. Zum Glück nicht so anstrengend wie die Entfernung des Gitters. Wir waren ungefähr gleich kräftig, hoben die Truhe auch zugleich an und stemmten sie dann hoch.
Es klappte. Wir hievten sie bis an die Kante, stemmten sie für einen Moment dort ab und schoben sie weiter, damit sie über den feuchten Boden rutschen konnte.
Als sie weit genug vom Viereck der Graböffnung entfernt war, stiegen auch wir wieder hoch. Bevor wir uns daran machten, die kleine Truhe zu öffnen, untersuchten wir sie im Licht der Lampen. Sie sah ziemlich zu aus, wie man so schön sagt. Wahrscheinlich würde es nicht leicht sein, den Deckel vom Unterteil zu heben. Wir sahen keine Schlösser, aber auch die Metallriemen hielten die beiden Teile nicht fest. Lag der Deckel einfach nur drauf?
Nein, das wäre zu einfach gewesen. Ich versuchte es trotzdem, aber ich bekam ihn nicht hoch. Nur ein leises Knirschen war zu hören, sonst nichts.
Der Templer hatte die Seiten abgeleuchtet. »Ich glaube, da ist etwas, John.«
»Was denn?«
»Zwei kleine Einbuchtungen.« Er fiel auf die Knie und leuchtete genauer hin. »Ja, da sind sogar kleine Hebel zu erkennen. Das ist super. Damit kann man was anfangen.«
Bevor ich nachschauen konnte, hatte er seine Lampe schon zur Seite gelegt und die Arme gespreizt, um die Truhe umfassen zu können. Seine Finger fanden die Einbuchtungen und auch dort die kleinen Hebel. Er schaute zu mir hoch.
Ich wusste, was er mir sagen wollte, und ließ es nicht dazu kommen. Auch ich legte meine Lampe zur Seite, fasste den Deckel an und nahm dabei in etwa die gleiche Haltung ein wie Godwin.
»Bist du bereit, John?«
»Ja.«
»Okay, ich drücke jetzt!«
Ich tat es. Ich hörte kein Knacken, aber ich wusste genau, was ich zu tun hatte. Der erste Ruck! Verdammt, der Deckel klemmte. Ich versuchte es ein zweites Mal.
Der Deckel hatte sich im Laufe der langen Jahre regelrecht auf dem Unterteil festgefressen. Ich bewegte meine Arme leicht hin und her, versuchte es mit Rütteln und Zerren, dann hatte ich einen Teil des Wegs geschafft, denn der halbrunde Truhendeckel bewegte sich zum ersten Mal.
»Gut so, John!«
Ich machte weiter. Auch Godwin drückte und hielt den Mechanismus gelöst.
Ich zuckte zusammen mit den Armen in die Höhe - und auch mit dem Deckel. Plötzlich löste er sich wie von selbst. Ich hatte damit nicht gerechnet und torkelte etwas unbeholfen zurück. Dabei hielt ich den Deckel fest, der mir den Blick auf das Innere der Truhe verwehrte.
Dafür sah ich Godwin. Er kniete davor und starrte in das Unterteil hinein. Er staunte, und ich war froh, dass nichts mehr passiert war. Es hätte auch sein können, dass es noch weitere Sicherungen gegeben hätte, sodass plötzlich Gas aus der Truhe geströmt wäre, doch davon waren wir verschont geblieben.
So rasch wie möglich legte ich das Oberteil zur Seite und hatte endlich freie Sicht.
Ich ging die wenigen Schritte nach vorn. Ich merkte kaum, dass ich die Lampe aufgenommen und mitgebracht hatte.
»Schau dir das an, John«, flüsterte Godwin de Salier…
***
Suko war beruhigt, als er mit seinem Freund John Sinclair gesprochen hatte und zu Julie Ritter zurückgekehrt war. Sie stand nicht mehr am Rand des Schachts, sondern hatte sich weiter zurückgezogen und lehnte nun mit dem Rücken an der Wand.
Es freute Suko, dass die Dinge sich gut entwickelt hatten. Weniger freute ihn, dass er hier oben stand und die Stellung halten musste. Er sah allerdings auch ein, dass jemand wie Godwin de Salier die älteren Rechte hatte.
Er hatte die Lampe brennen lassen und sie so hingestellt, dass ihr Licht schräg nach oben fiel und auch die Decke erreichte. Ein Licht in der Finsternis war immer gut, denn es half über trübe Gedanken hinweg. Ob das sich auch so bei Julie Ritter verhielt, wusste Suko nicht. Sie stand an der Wand, schaute ins Leere und
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