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1253 - Angst vor dem eigenen Ich

1253 - Angst vor dem eigenen Ich

Titel: 1253 - Angst vor dem eigenen Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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»Ich finde, dass sie in unserer Kapelle besser aufgehoben sind. Die Gebeine gehören zu uns, das spüre ich. Sie sind wichtig. Sie sind ein Kernstück unseres Ordens. Wir müssen sie einfach besitzen, denn das hatten wir immer vorgehabt.«
    »Ja, das muss wohl so sein.« Ich kannte auch keine andere Lösung. Dabei sahen die Reste der Frau nicht anders aus als die üblichen Gebeine, und trotzdem steckte mehr dahinter. Eine ganz andere Weltanschauung, wenn man so wollte.
    »Ich glaube nicht«, sagte Godwin leise, »dass wir uns noch lange hier aufhalten sollten. Wir werden die Truhe wieder verschließen und versuchen, sie nach oben zu schaffen. Mehr kann ich auch nicht vorschlagen. Bist du einverstanden?«
    »Was sonst?«
    »Gut, dann…«
    Der Templer stand plötzlich halb gebückt und unbeweglich auf der Stelle. Er konnte auch seinen Mund nicht mehr schließen und starrte nach vorn, aber auch an mir vorbei.
    »Was hast du?«
    »Dreh dich mal um!«
    Ich ließ mir Zeit dabei, und als ich die Drehung vollendet hatte, da sah ich, dass wir Besuch bekommen hatten.
    Jemand stand vor uns. Es war eine Frau, es war Julie Ritter. Nur war sie nicht als normaler Mensch erschienen, sie hatte es geschafft, ihren Doppelkörper zu schicken…
    ***
    Ich wurde wieder an die Szene erinnert, als ich mit noch nassen Haaren die Dusche verlassen hatte und Julie Ritter nackt in meinem Bett gelegen hatte. Hier gab es kein Bett, hier war sie auch nicht nackt, aber sie war auch nicht stofflich, sondern feinstofflich. Sie stand einfach da wie abgestellt und vergessen. Sie richtete ihren Blick auf uns und hielt die Augen zugleich gesenkt, um sehen zu können, was sich in der offenen Truhe befand.
    Godwin wollte etwas sagen, das bekam ich mit. Er hatte den Mund bereits geöffnet, als ich eine abwehrende Handbewegung machte, weil ich befürchtete, dass ein Eingreifen - egal welcher Art - genau das Falsche sein konnte.
    Sie tat noch nichts. Julies Zweitgesicht war nach unten gerichtet, um die Gebeine anzuschauen.
    Plötzlich durchlief ein Zucken ihren Körper. Sie ging vor, und es war kein Laut zu hören. Welche Energie sie antrieb, das wussten wir auch nicht, doch was sie hier gewann, das würde die echte Julie Ritter oben vor dem Schacht verlieren.
    Nicht zu weit von mir entfernt passierte sie mich. Ich spürte dabei ihre Nähe. Es war so etwas wie ein kalter Hauch, der an mir vorbeifloss, und wenn ich jetzt zugegriffen hätte, dann hätte ich durch sie hindurchgefasst.
    Wir bewegten uns nicht. Ich dachte auch nicht daran, das Kreuz hervorzuholen, um den Doppelkörper zu testen, ich ließ ihn einfach gewähren, und so stand er bald vor der kleinen Truhe.
    Der Kopf senkte sich.
    Wenn der Doppelkörper schauen konnte, dann starrte er die Gebeine an. Es war nicht lange der Fall, denn wieder kam Bewegung in die ungewöhnliche Gestalt.
    Die Umgebung kam mir so still vor wie eine dick verschneite Winternacht in den Bergen. Nichts hörten wir, und auch unser Atem war so gut wie nicht zu vernehmen.
    Julie bückte sich. Auch dabei entstand kein Geräusch. Die Lautlosigkeit sperrte uns ein. Kein Luftzug, kein Rascheln, aber die Gestalt streckte nicht nur ihre Hände aus, sie hob auch ein Bein an und stieg dann als gespenstisches Wesen in das Unterteil hinein.
    Wenn es nicht schon zuvor der Fall gewesen wäre, spätestens jetzt hätte uns der Atem gestockt. Für einen Moment überlegte ich, ob ich versuchen sollte, sie zu stoppen, dann sagte ich mir, dass die Dinge hier nach anderen Regeln abliefen und ich möglicherweise störte, wenn ich mich darum kümmerte.
    Vielleicht machte ich auch etwas kaputt. Deshalb ließ ich sie gewähren.
    Sie stand jetzt mit beiden Füßen im Unterteil der Truhe. Bei einem normalen Menschen wären die Knochen aufgrund des Gewichts zerbrochen, nicht bei einem Geistkörper. Er besaß ebenso wenig Gewicht wie ein Schatten. Er stand auf den Gebeinen und schwebte zugleich über ihnen.
    Ich fragte mich, was sie vorhatte. Es konnte durchaus sein, dass sie die Knochen an sich nehmen wollte, weil der echte Körper mal als Maria Magdalena existiert hatte.
    Das passierte zum Glück nicht, denn da hätte ich schon eingreifen müssen. Es geschah etwas anderes. Sie blieb nicht mehr in der starren Haltung stehen sondern sackte langsam in die Knie. Wir schauten gebannt zu. Julie wurde kleiner und kleiner. Sie sank soweit zusammen, wie es bei einem Menschen nicht möglich war.
    Und es passierte noch ein weiteres Phänomen. Selbst ihr

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