1254 - Der Satans-Kutscher
gebraucht wurde. Entweder hatte der Schuppen die Vernichtung überstanden oder war später wieder aufgebaut worden. Das war auch in diesem Fall zweitrangig, denn die Detektivin konzentrierte sich auf etwas anderes.
Tim Allen hatte sich nicht getäuscht. Es gab in der dunklen Umgebung eine Bewegung. Jemand ging mit langsamen Schritten über den Platz. Er sah aus, als wäre er aus der Finsternis der Nacht herausgeschnitten worden. Von der Körperform her ein Mensch, aber Jane war sich da nicht mehr so sicher.
Sie litt unter den Nachwirkungen des Schlages und hatte Schwierigkeiten damit, die Gestalt genau zu fixieren. Das lange Starren auf eine bestimmte Stelle sorgte für neue Schmerzen hinter ihrer Stirn, und auch die Augen taten ihr weh.
Sie wischte darüber hinweg, schloss sie, öffnete sie danach und schaute wieder hin. Ja, er war da. Er war kein Trugbild, und Jane presste die Lippen zusammen.
Sie erlebte das Gefühl der langsam heranschleichenden Angst, die durch diese nächtliche Gestalt näher gebracht wurde. Ein Monstrum, das keine Gnade kannte und den Tod wollte.
Der Kutscher war nicht deutlich zu erkennen, aber sie nahm das bleiche Gesicht unter der Kapuze wahr. Ob es tatsächlich einem Menschen gehörte, war nicht zu erkennen, eine derartig fahle Blässe konnte auch von einer Skelettfratze abgestrahlt werden, aber das kümmerte sie in diesen Augenblicken nicht. Für sie war wichtiger, was die Gestalt vorhatte.
Jedenfalls würde sie nicht an der Kutsche vorbeigehen. Sie würde sich auch nicht auf den Bock setzen und die beiden angespannten Pferde zum Laufen bringen, hier war alles anders. Nahezu lässig ging die Gestalt auf die Seite der Kutsche zu. Bei jeder Bewegung schwang die Kutte hin und her, und aus jedem Schritt sprach die Sicherheit, die sie hier in ihrer Welt empfand.
»Siehst du was, Jane?«
Sie wusste nicht, wer die Frage geflüstert hatte, gab aber eine Antwort. »Ja, ich sehe ihn.«
»Was tut er?«
»Er kommt näher.«
Tim Allen fluchte und trommelte auf den Boden. »Das packe ich einfach nicht. Das ist der reinste Wahnsinn, verflucht noch mal!«
»Halt deine Klappe!«
Das tat Tim nicht, aber sein Kumpel fühlte sich auch genervt. Jane hörte ein Klatschen, dann war Allen still. Archie hatte ihm wohl eine Ohrfeige verpasst.
Jane lugte über den unteren Rand der Scheibe hinweg und ließ die Gestalt des Schreckens nicht aus dem Blick.
Zwei Schritte vor dem Erreichen der Kutsche drehte sie ab. Eine scharfe Wendung nach links, dann geriet sie außer Sicht. Für Jane war es kein Grund zum Aufatmen. Sie hatten eine Galgenfrist bekommen, das war alles.
Dann hörte sie ein Geräusch. Diesmal wurde es nicht von einem Menschen abgegeben, sondern von den beiden Pferden, die schnaubten und leise wieherten. Jane konnte sich vorstellen, dass sich der Kutscher um die Tiere kümmerte und ihr Fell streichelte. Sie bewegten sich leicht. Diese Bewegungen übertrugen sich auch auf die Kutsche, die leicht auf- und niederschaukelte.
»Was macht er?«
»Er kümmert sich wohl um die Pferde, Archie!«
»Und weiter?«
»Das weiß ich doch nicht.«
»Hast du denn keine Kanone, mit der wir uns den Weg frei schießen können? Im Fernsehen haben die Privaten immer…«
»Ich hatte eine, Archie. Man hat sie mir abgenommen. Unser Freund hat eben an alles gedacht.«
»Du nimmst das verdammt locker.«
»Soll ich schreien oder durchdrehen?«
»Nein, das nicht, aber…«
»Hör auf mit dem Aber. Vielleicht lässt er uns ja laufen.«
»Der nicht!«, kreischte Tim. »Der hat uns fertig gemacht, als wir den Schuppen betraten. Der ist mit dem Teufel im Bunde. Und wer hatte die Idee, dass hier was zu holen ist und uns niemand dabei stört? Das bist du gewesen, Archie!«
»Und du hast mitgemacht.«
Jane verdrehte die Augen. Ein Streit zwischen den beiden war das Letzte, das sie in dieser Situation gebrauchen konnte. »Jetzt haltet beide eure Klappe, verdammt. So unterschiedlich wir sind, wir haben alle den gleichen Feind, und da müssen wir einfach zusammenhalten. Wir sind Menschen. Ob er einer ist, das weiß ich nicht.«
»Sie hat Recht!«, flüsterte Tim.
Jane richtete sich auf. Stehen konnte sie nicht in der Kutsche. Dafür war sie zu niedrig. So musste sie in einer gebückten Haltung bleiben, und sie versuchte ihren Kopf so zu drehen, dass sie etwas erkennen konnte. Der Kutscher würde nicht ewig bei den Pferden bleiben, seine Gefangenen waren ihm wichtiger.
Und das stimmte. Obwohl Jane sich darauf
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