1256 - Belials Bann
um die sich alles drehte. Es war Jamina Tomkin.
Sie blieb zunächst auf der Türschwelle stehen und machte einen scheuen Eindruck. Auch typisch für ein Kind, das einen Erwachsenen zum ersten Mal sieht. Allerdings stand die Mutter dicht hinter ihr, die ihre beiden Hände auf die Schultern des Kindes gelegt hatte und ihr so einen Schutz vermittelte.
Jamina war ein nettes Kind. Sie hätte sicherlich noch netter ausgesehen, wenn sie gelächelt hätte.
Das tat sie nicht. Ihre Lippen blieben geschlossen und die Augen musterten mich mit einem ernsten Blick. Sie sprach mich auch nicht an, sie stand einfach nur da wie festgewachsen.
Ich war kein Gedankenleser. Dass die Kleine nicht so fröhlich war, lag auf der Hand. Sie hatte nicht nur eine schwere Krankheit hinter sich gebracht, auch ihre Heilung war nicht eben normal verlaufen.
Da hätte sich auch ein Erwachsener nicht mehr so locker gegeben.
Ich lächelte Jamina so freundlich wie möglich an. Dabei blieb es, denn ich konnte sie schlecht in ihrer Sprache anreden. Mit den wenigen Brocken hätte ich mich lächerlich gemacht.
Dass ein Lächeln international ist, das erlebte ich in diesen Augenblicken wieder, denn irgendwann bewegten sich die Lippen des Mädchens, und es lächelte zurück.
Damit war das Eis gebrochen, einschließlich der Mutter, denn sie atmete ebenfalls auf. Und Karina Grischin übernahm es, mich vorzustellen. Sie ging auf die beiden zu, sprach mit ihnen und ich hörte, dass dabei mein Name fiel.
Svetlana Tomkin sagte etwas, löste die Hände von den Schultern der Tochter und Karina ergriff die Initiative. Sie fasste Jamina an die Hand und führte sie zu mir.
Aus der Nähe sah ich, dass die Kleine wieder gesund aussah. Das Gesicht wirkte nicht mehr blass.
Die Wangen hatten eine gesunde Röte bekommen, nur in den hellen Augen glomm noch ein gewisses Misstrauen auf.
»Kann ich ein paar Worte mit ihr reden?«, fragte ich.
Karina nickte. »Natürlich, John. Ich werde übersetzen.«
Ich wollte wissen, wie Jamina die Vorgänge erlebt hatte. Besonders wichtig für mich war zu erfahren, ob es eine Spur gab, die wir verfolgen konnten. Irgendwo musste die geheimnisvolle Heilerin ja untergetaucht sein. Möglicherweise kannte das Kind einen Teil des Wegs.
»Hast du sie zuvor schon gekannt?«, wollte ich wissen.
»Nein, habe ich nicht. Man hat sie geholt.«
»Und du fühlst dich wieder wohl?«
»Ja, sehr.«
»Wie hat sie dich geheilt?«
Die Augen wurden größer. »Sie war bei mir, sie war dann in mir. Das ist so schön gewesen. Ich habe mich toll gefühlt. Alles war so anders. Mir ging es auch nicht mehr schlecht. Ich konnte wieder lachen. Ich habe alles richtig genossen. Das war so schön, echt, das war so schön. Ich habe das noch nie erlebt.«
»Hat sie dir etwas gesagt?«
»N… nein.«
»Überlege mal genau. Hat sie dir wirklich nichts mitgeteilt, das uns weiterhelfen könnte?«
»Nein, das hat sie nicht. Das ist nur… ist nur…« Sie brach mitten im Satz ab, was mich etwas irritierte, so dass ich Karina anschaute und nach den Gründen fragte.
»Ich weiß es auch nicht…«
»Frag sie mal!«
»Klar.«
Es war seltsam. Zwischen uns hatte sich plötzlich eine unsichtbare Mauer aufgebaut. Sie schüttelte auch den Kopf und zog sich langsam von mir zurück.
»Was hat sie denn?« Ich war mir keiner Schuld bewusst und schaute Karina an, die auch nur mit den Schultern zucken konnte.
Jaminas Angst steigerte sich. Sie drehte sich um und warf sich in die Arme ihrer Mutter. Die reagierte sofort. Sie nickte mir zu und sagte etwas zu Karina und der Ärztin. Beide lehnten ab, das war deutlich zu hören.
Ich ärgerte mich jetzt noch mehr, weil ich die Sprache nicht verstand und musste mich an Karina wenden, um eine Erklärung zu bekommen. Sie hörte jedoch zunächst zu, was das Mädchen seiner Mutter zu sagen hatte. Dann erst sagte sie: »Sie hat plötzlich Angst bekommen.«
»Vor mir?«
»Sieht ganz so aus, obwohl ich es nicht verstehen kann«, fügte sie nachdenklich hinzu.
»Da sagst du was. Ich kann es auch nicht begreifen. Ich habe ihr nichts getan und nur normal mit ihr gesprochen, das hast du selbst gehört, nicht wahr?«
»Ja, das stimmt alles. Ich kann mir ihr Verhalten auch nicht erklären…«
»Was hat sie denn nun gesagt?«
Karina dachte einen Moment nach. »Wenn mich nicht alles täuscht, hat sie das Böse erwähnt…«
Fast hätte ich gelacht. Ich riss mich im letzten Moment zusammen. »Das Böse«, wiederholte ich.
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