1256 - Belials Bann
»Ausgerechnet das Böse und das bei mir. Nein, nein, da komm ich nicht mit.«
»Ich begreife es ja auch nicht, abersieh sie dir an, John. Ich denke nicht, dass sie uns etwas vorspielt.«
Das glaubte ich auch nicht, denn Jamina hatte sich eng an ihre Mutter gedrückt und ihr zugleich das Gesicht zugewandt, damit wir sie nicht anschauen konnten. Sie zitterte sogar, und wir hörten sie zudem leise schluchzen.
Ich stand wirklich vor einem Rätsel und schließlich griff die alte Veruschka ein. Sie wandte sich direkt an die Mutter. Sie sprach mit leiser Stimme. Ich hörte heraus, dass sie zumeist Fragen stellte, die auch beantwortet wurden.
Karina übersetzte für mich. »Sie hat Angst. Sie hat plötzlich Angst bekommen.« Dann lauschte sie weiter und konnte mich wenig später wieder aufklären. »Es ist nicht die Angst vor dir gewesen, sondern die vor dem Bösen.«
»Aber doch nicht bei mir!«
»Das glaube ich auch. Das muss etwas anderes gewesen sein, John. Etwas, das wir nicht sehen. Nur sie kann es spüren.«
Wir waren vier Erwachsene und ein Kind. Aber wir waren vier ratlose Menschen und ich wusste nicht, was ich in diesem Fall unternehmen sollte.
Hingehen und ihr erklären, dass sie keine Angst zu haben brauchte, das hätte keinen Sinn gehabt. Ich war für sie zu fremd, das mussten andere übernehmen. Vertrauen hatte sie zu ihrer Mutter. Sie mussten wir mehr mit einbeziehen, denn bisher sagte sie nichts, sondern streichelte Jaminas Haar.
»Bitte, Karina, versuch es noch mal. Frag die Mutter. Frag das Kind. Es muss einen Grund geben und wir müssen ihn erfahren. Wenn sie allgemein vom Bösen gesprochen hat, dann glaube ich nicht, dass sie gelogen hat. Das Böse muss sie gespürt haben, und ich bin sicher, dass es vorhanden ist, auch wenn wir es nicht sehen.«
»Okay, ich kann es versuchen.«
Es war eine Spur, das stand für mich fest. Die einzige, die wir hatten. Wir mussten sie nur konkretisieren, damit wir etwas in die Hände bekamen.
Karina ging sehr sensibel vor. Sie redete leise mit dem Kind, sie baute so auch Vertrauen auf, und ich beobachtete vor allen Dingen Jamina, die tatsächlich ihre Angst verlor und sich vom Körper der Mutter wegdrückte, um sich Karina zuzuwenden.
Zuerst schaute sie sie nur an. Einige Male rieb sie dabei die Augen, schüttelte auch den Kopf und ließ es geschehen, dass Karina ihre kleinen Hände umfasste.
Auch meine russische Freundin hatte ihre Stimme gesenkt. Sie wollte keine neuen Angstgefühle aufkommen lassen oder andere noch stärken. Die beiden redeten mit leiser Stimme, und auch Jamina gab Antwort, aber sie sprach sehr leise. Immer wieder unterbrach sie ihren Redefluss, um an Karina vorbeizuschauen, aber sie sah nicht mich an, sondern blickte mehr zur Tür hin, als gäbe es dort etwas Besonderes zu bestaunen.
Ich drehte den Kopf und wollte Klarheit haben, was nicht möglich war, denn da war wirklich nichts zu sehen. Sie blieb weiterhin geschlossen, es schlug niemand von der anderen Seite dagegen, und doch war sie das Ziel ihrer Blicke.
Für mich musste es da einen Grund geben. Und sie hatte von etwas Bösem gesprochen, ohne dabei einen von uns konkret zu meinen. Das wäre auch nicht möglich gewesen. Es gab keinen, der ihr etwas antun wollte, aber ich war nicht in der Lage, hinter die Tür zu blicken. Ich wusste nur, dass dort der Flur lag, den Karina und ich leer erlebt hatten.
Karina sprach noch immer mit dem Mädchen. Ihr war der Blick nicht aufgefallen. Ich wollte sie auch nicht extra darauf aufmerksam machen und drehte mich kurz zur Seite, bevor ich meine Schritte auf die Tür zulenkte.
Es war nicht weit. Alles in diesem Raum war recht klein. Die Tür zu erreichen war eine Sache von zwei Sekunden. Und trotzdem blieb ich stehen, denn jetzt hatte ich etwas bemerkt.
Auf meiner Brust breitete sich der Wärmestoß aus. Dafür gab es nur einen Grund. Mein Kreuz hatte reagiert!
***
Tamara hatte den Befehl ihres Herrn und Meisters genau verstanden. Sie tat alles, was er wollte, schließlich war er der Garant für ihre Existenz. Außerdem war es auch in ihrem Sinne, so zu handeln, denn ihr fehlte der Kraftschub.
Sie hatte die Energie bei einem Besuch der Tomkins verloren. Genau bei ihnen lag das Problem. Was dort verbockt worden war, musste auch da wieder ins Reine gebracht werden.
Niemand sah ihr an, wer sie war, als sie durch die Straßen streifte. Von ihrem blonden Haar war nicht viel zu sehen, weil sie ein dunkles Tuch darum gewickelt hatte, aus dem nur
Weitere Kostenlose Bücher