1256 - Belials Bann
ihr Gesicht hervorschaute. Andere Kleidung hatte sie ebenfalls übergestreift, so war sie eingepackt in einen weiten Mantel, der schon fast einem Zelt glich, das hinab bis zu ihren Waden hing und bei jedem Schritt schwankte.
Sie näherte sich der Straße vorsichtig. Tamara ging nicht wie ein normaler Mensch. Sie war auf der Hut. Sie schaute sich immer wieder um, denn die letzte Niederlage hatte sie schon stark verunsichert, und so fühlte sie sich schon in die Enge getrieben.
Aber die Verdächtigen waren nicht zu sehen. Der kalte Wind hatte sowieso für verhältnismäßig leere Gehsteige gesorgt. Wer nicht unbedingt raus musste, blieb im Haus, und die wenigen Personen, die sich auf die Straße gewagt hatten, waren so vermummt, dass man schon hätte Angst vor ihnen bekommen können.
Sie lief mit kurzen und schnellen Schritten. Den Blick hielt sie zumeist gesenkt, weil doch noch einige Glatteisfallen lauerten, die wie kleine Inseln auf dem Boden lagen.
Je näher sie dem Haus kam, umso mehr verdichtete sich ihre Spannung. Kaum war Tamara in die Straße eingebogen, da spürte sie in ihrem Innern das Ziehen. Sie konnte sich dieses Gefühl nicht erklären. Es war so etwas wie eine Warnung, aber sie entdeckte nichts Verdächtiges, wenn sie sich umschaute. Die Menschen hatten genug mit sich selbst zu tun. Um einen anderen kümmerten sie sich nicht und so brauchte Tamara auch keine Sorge zu haben, erkannt zu werden, denn schließlich war ihr Gesicht durch die TV-Sendungen nicht eben unbekannt.
Die Straße glich einem Kanal, durch den der Wind pfiff. Er fegte in ihr Gesicht. Er biss in die Haut, und sie zerrte den Schal noch mehr zur Seite, um wenigstens den Mund und die Nase zu schützen. Der Himmel war düster geworden. Nicht mehr lange, dann würden die dicken Wolken den Schnee abladen.
Kurz bevor sie das alte Haus erreichte, ging sie langsamer. Sie musste erst nachdenken, in sich hineinhorchen, ob sich etwas verändert hatte.
Das war nicht der Fall. Zwar war ihre Lockerheit nicht zurückgekehrt, sie erlebte noch immer dieses Gefühl der Bedrohung, ansonsten aber waren die Dinge so weit in Ordnung, dass sie persönlich sich keine Gedanken zu machen brauchte.
Vor der Tür blieb sie stehen.
Der Blick zurück, dann zu den Seiten hin - alles war in Ordnung. Von einem Verfolger war nichts zu sehen. Wenig später tauchte sie in den düsteren Hausflur ein, sah vor sich schattenhaft die Treppe, überlegte nicht lange und lief sie hoch.
Sie wollte kommen wie jeder normale Mensch auch und nicht ihre ungewöhnliche Begabung einsetzen. Das hatte noch Zeit. Erst wollte sie als normale Frau erscheinen und auch normale Fragen stellen.
Sie musste zwei Absätze hoch, um die erste Etage zu erreichen. Auf der Hälfte stoppte sie ihre Schritte so plötzlich, als hätte man ihr einen Befehl erteilt. Es war die Warnung. Ein plötzliches Hindernis, nicht zu sehen, aber genau zu spüren.
Tamara schob ihren Schal weiter zurück, so dass er über die Schulter fiel und auch ihre Ohren frei lagen. Jedes Geräusch würde ihr jetzt auffallen, denn ihre Sinne waren sensibler als die eines normalen Menschen.
Das schlechte Gefühl war nicht verschwunden. Warnungen erreichten sie. Obwohl sie noch nicht an der Tür war, wusste sie, dass sich dahinter etwas verändert hatte.
Sie konnte den Grund nicht benennen. Es gab auch keine Beweise. Tamara musste einfach nur auf ihr Gefühl achten und genau das tat sie. Es warnte, und sie traute sich noch nicht, den Rest der Treppe zu gehen.
Im Haus blieb es still. Niemand betrat es und es war auch niemand da, der seine Wohnung verließ.
Sie gehörte zu den scheuen Menschen, die trotz ihrer Außergewöhnlichkeit zunächst nachdachten, und das war auch jetzt so. Die Warnung hatte sie leicht geschockt. Es gab zwei Möglichkeiten. Sie hätte zurückgehen und alles sein lassen können. Damit wäre eine gewisse Sicherheit gewährleistet gewesen.
Das konnte sie sich nicht leisten. Wenn Belial einmal etwas befohlen hatte, dann musste sie diesem Befehl auch folgen, auch wenn das Ende bitter war. Danach hatte sie einfach nicht zu fragen.
Und so stand ihr Entschluss fest. Sie würde nach oben gehen und nicht zurück.
Aber sie war sehr vorsichtig. Von ihren Schritten war so gut wie nichts zu hören. Sie schlich die wenigen Stufen bis zum Ziel hoch, und ihr Blick war streng nach vorn gerichtet. Je näher sie kam, umso mehr näherte sich Tamara dem Gefahrenherd. Das hatte sie mittlerweile festgestellt. Hinter der
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