1257 - Gezeichnet durch den Höllenfluch
nicht der Fall. Als er mich rief, hielt er den rechten Arm nach vom gestreckt und deutete auf das Wasser.
»Was ist los?«
»Ich denke, sie kommt!«
Zum Glück war es noch hell genug, um bis zum anderen Ufer zu schauen, wo keine Bäume standen.
Dafür sah ich etwas anderes. Schon recht dicht am Ufer zeichnete sich unter dem Wasser etwas ab.
Es sah aus wie ein Balken, zumindest war es ungefähr so lang wie einer und sogar so lang wie ein Mensch.
»Das ist sie!«
»Hast du schon ihr Gesicht gesehen?«
»Nein, John, aber dieses seltsame Schattenlicht rückt auch näher. Sie will nicht verlieren. Es ist ihr Reich, verstehst du?«
»Ich denke schon.«
Den Schatten ließ ich nicht aus den Augen. Mein Kreuz behielt ich in der Hand, die ich zur Faust geschlossen hatte. Ich wollte es noch nicht einsetzen und war nur gespannt darauf, wie die andere Seite reagierte. Die Hexe und Mütter musste einfach etwas tun. Wir hatten ihr ihre beiden Diener entrissen, wobei zumindest der Junge voll auf sie gesetzt hatte. Jetzt sah es danach aus, als würde die Hölle wieder keine Beute bekommen.
Es gab keine Strömung. Trotzdem wurde sie näher an das Ufer herangetrieben. Sie bewegte sich mehr mit dem unteren Teil des Körpers. Sicherlich schlug sie mit den Beinen.
Wenig später war es soweit! Die Gestalt erreichte den seichten Grund. Jetzt konnte sie sich, wenn sie wollte, aufrichten.
Das tat sie auch.
Es ging alles recht schnell. Sie gab sich Schwung - und tauchte im nächsten Moment auf…
***
Wir hatten sie vorher nicht gesehen, und sie war uns auch nicht richtig beschrieben worden. Auch Francis Gallo hatte nur eine Frau mit dunklen Haaren in Erinnerung, die ihm den Rücken zugedreht hatte.
Wer stieg jetzt aus dem Wasser?
Bestimmt keine Frau mit schwarzen Haaren, denn das war längst vorbei. Sie hatte über lange Jahre hinweg auf dem Grund des Sees gelegen und gewartet, bis ihr Sohn die Pubertät erreicht hatte, und auch sie war durch den Fluch der Hölle gezeichnet worden. Von den langen Haaren war so gut wie nichts mehr zu sehen. Einen blanken, fleisch-und hautlosen Schädel umhingen einige Haarsträhnen oder Haarfetzen. Das Wasser rann an einem Kopf entlang, der schon zum Großteil verwest war. Zurückgeblieben war ein gräulich-grünes Knochengebilde mit einem Mund, der nichts anderes war als ein großes Loch oder Maul.
Sie stand im Wasser, das ihr noch bis dorthin reichte, wo sich mal eine normale Brust befunden hatte.
Der Wasser-Zombie ging nicht mehr weiter. Er stand und glotzte nach vorn, wobei auch nicht sicher war, ob die Augen überhaupt noch vorhanden waren. Pupillen sahen wir nicht, sondern nur eine Leere.
»So also sieht eine Mutter aus, die ihr Kind dem Teufel übergeben wollte«, flüsterte Suko.
»Ja.«
»Willst du das Kreuz nehmen?«
»Warum nicht?«
Wir sahen uns in einer besseren Position. Der Teufel hatte sie vom Grund des Sees in die Höhe geschickt, und der Teufel stand mit ihr in Verbindung. Jetzt war ich darauf gespannt, was er noch tun würde, denn ich bezweifelte, dass sie aus eigenem Antrieb handelte.
Sollte alles so sein, wie wir angenommen hatten, dann wusste auch die Gegenseite, wer sie hier stoppen wollte. Asmodis war ein raffinierter Geselle. Wir bekämpften uns bis aufs Messer, es war der ewige Fight zwischen Gut und Böse, aber er war auf eine gewisse Art und Weise auch Realist und wusste, wann er verloren hatte.
»Sie sieht beinahe so aus wie der Killer mit der Totenmaske«, flüsterte Suko mir zu.
»Willst du sie haben?«
»Ich könnte ihr die Peitsche…«
Etwas anderes passierte. Um die Gestalt herum fing das Wasser an, sich zu bewegen. Den Grund entdeckten wir nicht, aber es blieb auch nicht bei normalen Bewegungen, denn es brodelte plötzlich auf. So etwas passierte, wenn man zahlreiche Fische ins Wasser schleuderte, die an einer bestimmten Stelle schwammen.
Das Brodeln hörte nicht auf, und es waren keine Fische, die sich in der Umgebung dieses Monstrums bewegten. Das Wasser hatte sich in eine andere Flüssigkeit verwandelt, die die Gestalt angriff.
Wir konnten zuschauen, wie sie zusammenzuckte, dann nach links einknickte, ihre Arme in die Luft schleuderte, den Schädel heftig schüttelte und auch weiterhin den Halt verlor.
Wie ein steifes Brett fiel sie zur Seite und lag plötzlich im Wasser, das sie überschwemmte und überschäumte.
Blasen schossen an die Oberfläche, Schaum tanzte auf den Wellen. Wir hörten das Brodeln und das Köcheln und schüttelten
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