1257 - Gezeichnet durch den Höllenfluch
zerrte ihn zugleich in die Höhe. Für einen Augenblick schaute ich aus einer sehr kurzen Distanz in sein Gesicht.
Die Augen hielt er weit offen. Es war darin noch immer dieser andere Glanz vorhanden, den ihm die Hölle geschickt hatte. Und sie wiederum war durch eine Person vertreten, die vor Jahren freiwillig ins Wasser gegangen und ertrunken war.
Das konnte begreifen, wer wollte. Ich stand dicht davor, diesen Fluch zu löschen, aber ich brauchte dabei Bewegungsfreiheit und wollte mich nicht nur mit Ricky beschäftigen.
Mit einer heftigen Bewegung stieß ich Ricky zurück. Er fiel nicht zu Boden, sondern wurde von einem Baumstamm aufgehalten. Genau das hatte ich gewollt. Bevor er sich wieder erholen konnte, klickte bereits eine Handschelle um sein rechtes Gelenk. Ich hätte ihn gern an einen Baum gefesselt, doch das war in diesem Fall nicht möglich, weil die Zweige nicht dick genug waren.
Ich wollte ihn zusammen mit dem Pfarrer fesseln, aber mein Freund Suko hatte sich für eine andere Möglichkeit entschieden. Ich sah noch wie er ausholte, dann schnellte seine Faust nach vorn und traf einen bestimmten Punkt an der Schläfe des Mannes.
Auch wenn er unter einem anderen Einfluss stand, der Bewusstlosigkeit konnte er nicht entgehen.
Auch gut, denn so hatte Suko einen Klotz geschaffen, der sich nicht einfach bewegen ließ. Deshalb machte ich aus der Not eine Tugend und ließ die freie Schelle um das Handgelenk des Pfarrers klacken.
Wenn Ricky sich jetzt weiter wegbewegen wollte, musste er den Bewusstlosen hinter sich herschleifen.
Suko blies über seine Knöchel, nickte mir zu und fragte dann mit leiser Stimme: »War’s das?«
»Und wovon träumst du in der Nacht?«
»Du willst die Hexe haben?«
»Ja.«
»Dann gehst du davon aus, dass sie noch lebt?«
»Genau. Sie ist ertrunken, aber nicht vernichtet in unserem Sinne.« Ich deutete auf das Wasser. »Irgendwo auf dem Grund werden wir sie finden können.«
»Dazu müsste man tauchen.«
»Das weiß ich.« Mein Gesicht verzog sich. »Aber dazu habe ich keinen Nerv.«
»Was willst du dann machen?«
Ich deutete auf den Jungen und den bewusstlosen Pfarrer. »Möglicherweise können wir sie durch die beiden locken. Sie stehen unter ihrem Bann, und mich würde es wirklich interessieren, was geschieht, wenn wir sie mit dem Kreuz attackieren.«
Suko schüttelte den Kopf. »Überleg dir das, John. Das kann zwar zu einem Erfolg führen, aber es kann für sie auch zu riskant sein. Je nachdem wie stark der Bann ist.«
»Ja«, gab ich gedehnt zu, »Ja, du hast möglicherweise Recht. Aber einen Test möchte ich trotzdem durchführen. Ich möchte wissen, wie der Junge reagiert, wenn er mein Kreuz sieht.«
»Okay, versuch es.«
Ricky hatte uns zugehört, sich allerdings nicht eingemischt. Er sah aus wie jemand, der zwar verloren, aber noch nicht aufgegeben hatte. Obwohl er auf dem Boden saß, konnte er nicht ruhig bleiben. Er bewegte seinen Kopf, er drehte ihn mal nach rechts, dann wieder nach links, und der Atem fuhr stoßweise aus seinem Mund. Er war nicht in der Lage, mit seiner Situation zurechtzukommen.
Für mich war es wichtig, ihn zu retten und aus dem Einfluss seiner echten Mutter zu lösen, die immer noch stark genug war, um andere Menschen in Bedrängnis zu bringen. Dafür war der Pfarrer das beste Beispiel.
Der Junge beschimpfte mich. Er zerrte an seiner Handschelle, aber er kam nicht weg, denn das Gewicht des Pfarrers war einfach zu schwer. Er verwünschte mich mit Worten, die er nur aus dem Höllenalphabet haben konnte.
Dann sah er das Kreuz.
Sofort verstummte seine Schimpfkanonade. Das war nicht alles. Er begann zu zittern. Er schüttelte den Kopf, hatte eine Hand nur frei und hob sie so weit an, dass er damit seine Augen bedecken konnte.
Dabei jammerte er leise vor sich hin. Der Ausdruck in seinen Augen war durch einen anderen abgelöst worden. Man sah ihm an, dass die Angst bei ihm die Kontrolle übernommen hatte.
Das Kreuz war für ihn Gift!
In seinem Zustand musste er es einfach hassen, und die Reaktion hatte mir genug gesagt. »Keine Sorge, Ricky, ich werde es wieder verschwinden lassen, es ist nur ein kleiner Test gewesen, nicht mehr und nicht weniger.«
Er wich trotzdem so gut wie es ging zurück. Die Angst konnte er nicht verbergen. Sie lag in seinen Augen, aber sie hatte sich auch auf dem Gesicht ausgebreitet.
Suko war bis dicht an das Ufer herangetreten. Es sah aus, als wollte er nur den anrollenden Wellen zuschauen, doch das war
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