1261 - Blut aus dem Jenseits
fangen. Los, beeilt euch.«
Die Männer bewegten sich auch. Nur Mike nicht. Er und Tina Steene blieben nebeneinander stehen, und er sah, wie Tina zuerst den Kopf schüttelte und dann die leisen Worte sprach.
»Das… das… schaffen wir nicht. Das ist nicht möglich. Der ist uns allen überlegen. Er kann fliegen, und er wird auch weiter töten. Er ist ein verfluchter Vampir…«
***
Wir waren nicht geflogen, nur gefahren. Aber unsere Raserei kam schon fast einem Flug gleich.
Suko hatte das Steuer übernommen. Auf dem Dach des Rovers klebte die Sirene fest. Sie gab die wimmernden Laute ab, die in der Nacht immer lauter klang als am Tage. Sie erschreckte viele Menschen und riss sie aus dem Schlaf.
Wir kümmerten uns nicht um Verkehrsregeln und auch nicht um Ampeln, die Rot zeigten. Was Tanner uns gesagt hatte, war nicht gut gewesen. Das hatte nach einem grauenhaften Vorfall geklungen, und er hatte von einem wild gewordenen Monster gesprochen. Eines, das das Blut der Menschen saugte, um selbst leben zu können. Eine Mischung aus Fledermaus und Mensch, und genau das hatte mich in diese Alarmstimmung versetzt.
Suko und ich fuhren nicht allein. Wir hatten Jamiel mitgenommen, der im Fond hockte und das Kreuz fest hielt, das ich ihm gelassen hatte. Einen besonderen Grund, ihn mitzunehmen, gab es nicht. Ich hatte ihn nur nicht allein in meiner Wohnung zurücklassen wollen. Möglicherweise konnten wir ihn ja noch gebrauchen, denn niemand von uns wusste, wie sich dieser verdammte Fall noch entwickeln würde. Hier war alles möglich.
Suko fuhr verdammt schnell. Und ich hatte das Gefühl, dass London zusammenschrumpfte. Ich sagte nichts, aber ich bewunderte Sukos Fahrkünste auf der einen Seite und hoffte auf der anderen, dass wir heil und sicher ans Ziel gelangten.
Wir sprachen auch nicht. Jeder von uns war konzentriert, und wir merkten sehr bald, dass der Ort des Geschehens nicht mehr weit entfernt sein konnte. Es heulte nicht nur unsere Sirene auf, sondern auch andere waren zu hören. Da ging es um die von Feuerwehrwagen und die Sirenen der Einsatzfahrzeuge.
Suko trat das Gaspedal noch tiefer durch. Wie ein Geisterfahrzeug huschten wir an einem Streifenwagen vorbei, der allerdings in unserem Windschatten blieb und auch dort anhielt, wo wir stoppten.
Normalerweise hätten wir in die Wohnstraße hineinfahren können. Das war jetzt nicht mehr möglich. Die Autos der Kollegen standen quer. Die Lichter auf den Dächern drehten sich, und die gesamte Straße war zu einer gespenstischen Kulisse geworden, als wäre hier jemand dabei, einen Film zu drehen, denn auch Scheinwerfer hatten die Nacht zum Tag gemacht.
Die Vollbremsung hatte mich in den Gurt hineingeschleudert. Suko öffnete als Erster die Tür. Er verließ den Wagen vor mir, weil ich mich noch um unseren Schützling kümmern musste.
Mir war eine Idee gekommen, denn ich hatte mit einem ersten Rundblick erkannt, was hier ablief.
Der eigentliche Feind hielt sich nicht auf der Straße auf, sondern in der Höhe. Deshalb waren auch die beiden Feuerwehrwagen mit ihren langen Leitern alarmiert worden. Sie hatten sich in die Straße hineingeschoben, waren aber noch nicht bis an das Ziel gelangt, weil erst zwei Streifenwagen wegrangiert werden mussten.
Ich hatte ihn auf dem Dach stehen sehen. Ein kurzer Blick nur hatte mir ausgereicht, um zu wissen, dass ich es mit dergleichen Gestalt zutun hatte wie die, die mich in meiner Wohnung überfallen hatte. Der Vampir fühlte sich als Sieger. Er stand am Rande des Daches mit seinen ausgebreiteten Schwingen und war startbereit. Aber er flog noch nicht fort. Er wollte durch seine Anwesenheit die Menschen hier provozieren.
»Komm raus, Jamiel!«
»Warum?«
»Komm!«
Er hielt das Kreuz mit der rechten Hand umklammert. Er überlegte und duckte sich. »Es sind zu viele Menschen hier.«
Ich ließ nicht locker. »Du musst kommen, denn das bist du den Menschen schuldig.«
Er gehorchte. Ich blieb in seiner unmittelbaren Nähe, als er aus dem Rover kletterte. Dann nahm ich ihn wie ein kleines Kind an die Hand und führte ihn dorthin, wo Suko stand. Er hatte sich vor einem Streifenwagen aufgebaut und schaute ebenfalls zum Dach hoch, wo das Vampirmonster noch immer seine provozierende Haltung beibehielt.
Dicht in meiner Nähe hörte ich den Frauenschrei. Ich fuhr herum und sah eine Person mit dunklen Haaren und einem verzerrten Gesicht. Sie hatte den rechten Arm ausgestreckt und deutete an mir vorbei auf Jamiel. Der Schrei war
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