1261 - Blut aus dem Jenseits
viele der Bestien sich noch in dieser Welt aufhalten?«
»Nein, das kann ich nicht.«
Ich glaubte Jamiel. »Und wie viele deiner Artgenossen sind aus dem Reich geflohen?«
Der Engel hob die Schultern. »Das kann ich dir auch nicht sagen. Es herrschte ein zu großes Chaos. Sie haben es in unser Reich gebracht, nur sie.«
Ich nickte. »Dann werde ich sie wohl jagen müssen. Aber das ist im Moment zweitrangig. Mir stellt sich eine andere Frage. Woher kommen eure Feinde? Kannst du mir darauf eine Antwort geben?«
»Nein, das kann ich nicht. Ich weiß es auch nicht. Sie stehen unter einem mächtigen Schutz, und sie sind aus einer anderen Welt erschienen.«
»Aus der Vampirwelt?«
Der Gedanke war mir urplötzlich gekommen. Ich wusste ja von diesem düsteren Reich, das von Dracula II regiert wurde und in dem ich mich schon selbst aufgehalten hatte.
Jamiel schüttelte den Kopf. Er hatte noch nie zuvor davon gehört. Sie war ihm neu und das glaubte ich ihm auch.
Jedenfalls steckte ein Plan dahinter, der von einer mächtigen Person ins Leben gerufen worden sein musste. Es konnte Dracula II sein oder Justine Cavallo, und deshalb fragte ich den Engel auch nach diesen beiden Namen.
Er schaute mich aus seinen glänzenden und trotzdem leicht trübe wirkenden Augen an. In der letzten Zeit hatte er viel geredet, aber jetzt musste er schweigen.
»Die beiden Namen sagen dir nichts?«
»Nein.«
»Es sind zwei Mächtige. Wesen, die das Grauen verbreiten. Existenzen, die sich vom Blut der Menschen ernähren. Grausam und zu allem fähig. Es kann sein, dass sie ihr Reich ausweiten wollen und deshalb bei euch eingedrungen sind.«
»Das ist möglich.«
Ich hakte mich an meinem letzten Gedanken fest, denn ich traute ihnen alles zu. Sie waren grausam, und sie wurden von zwei Wesen angeführt, die ihre Macht ausweiten wollten.
Justine Cavallo hatte versucht, sich auf van Akkerens Seite zuschlagen. Das war ihr auch gelungen, und jetzt musste sie einfach nach anderen Möglichkeiten suchen. Sie und Dracula II waren Personen, die immer wieder neue Wege einschlugen, aber welche, die abseits der normalen Vampirpfade lagen.
Sie wollten mehr Kraft. Sie waren Schmarotzer. Sie wollten von der anderen Seite das bekommen, was ihnen fehlte, und so würden sie ihr Reich ausdehnen können.
Herrschaft und Macht!
Das waren die beiden Begriffe, die zu ihnen passten und die sie auch mit letzter Konsequenz verfolgten.
Ich hatte in der vergangenen halben Minute nicht gesprochen und war nur meinen eigenen Gedanken gefolgt. Aber ich hatte Jamiel nicht aus den Augen gelassen. Jetzt, da er durch mich nicht mehr abgelenkt war, kümmerte er sich um das Kreuz in seiner Hand. Er hielt den Kopf gesenkt und schaute es beinahe ehrfürchtig an.
Für ihn war es der Motor und die Verbindung zugleich. Er konnte nur mit mir reden, weil das Kreuz es ihm ermöglichte. Wahrscheinlich gelang dies durch die vier Buchstaben. Die Insignien der Erzengel, die an den Enden eingraviert waren. Auch ich hatte in der Vergangenheit schon erlebt, wozu sie fähig waren, und Jamiel passte zu ihnen, auch wenn er einige Stufen unter ihnen stand.
Meine Frage riss ihn aus seinen Gedanken. »Du hast gesagt, dass es noch mehr dieser Wesen gibt?«
»Ja.«
»Wo genau?«
»Hier in der Stadt.«
»Kannst du mir sagen, wo ich sie finde?«
Er richtete seinen Blick wieder auf mich und schaute mich traurig an. »Nein, das weiß ich nicht. Ich kann dir nicht sagen, wo sie sind.«
Das konnte ich einfach nicht glauben und schüttelte den Kopf. »Moment mal, mein Freund. Du weißt nicht, wo wir hin müssen, um deine Brüder zu erreichen?«
»Es geht nicht.«
»Steht ihr denn nicht miteinander in Verbindung?«
»Nein, nicht mehr. Es ist alles gestrichen worden. In dieser Welt schaffen wir es nicht.«
»Aber du hast jetzt das Kreuz. Du bist wieder erstarkt.« Ich wollte mich mit der Antwort nicht zufrieden geben.
»Ich bekomme keine Nachricht.«
»Warum nicht?«
»Es ist alles so tot.«
»Dann hast du es versucht?«
»Ja.« Er sah jetzt unglücklich aus und rückte mit der gesamten Wahrheit heraus. »Es ist alles nicht so gut gelaufen«, erklärte er. »Es lief gegen uns. Wir waren zu dritt, aber das ist nun vorbei. Zwei existieren nicht mehr. Sie sind ausgefallen. Ich allein bin noch übrig geblieben.«
In meinem Kopf begann sich das gedankliche Räderwerk zu drehen. Ich ging von der Zahl drei aus.
Zwei kannte ich. Den einen Engel hatte ich tot in der Kirche gesehen. Der andere
Weitere Kostenlose Bücher