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1266 - Schleichende Angst

1266 - Schleichende Angst

Titel: 1266 - Schleichende Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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der zu spät gekommen war und sich um die Früchte seiner Bemühungen betrogen sah. Letzte Flammen züngelten noch durch die zu Asche gewordenen Holzreste. Der Qualm stieg längst nicht mehr so dicht auf, und auch der Geruch entfloh allmählich.
    Als er sich wieder in Bewegung setzte, hielt er die Hände wie zum Gebet gefaltet. Er flüsterte auch einige Worte, die er allerdings selbst nicht verstand. Seine Füße schleiften durch das Gras, er ging wie ein Roboter, merkte die Hitze nicht, denn seine Blicke wurden von der toten Frau wie magisch angezogen.
    Als schon erste Kohlestücke unter den Sohlen knirschend zerbrachen, blieb er stehen. Auch so war Stan Shaw nahe genug an den Brandherd herangekommen.
    Ein Scheiterhaufen! Eine Frau, die darauf verbrannt wurde, das erinnerte ihn an eine finstere Zeit, in der in England angebliche Hexen verfolgt und auch verbrannt worden waren. Die Wellen des Hasses oder der Verleumdung waren aus dem Süden hochgeschwappt und hatten auch den mitteleuropäischen Raum erfasst. Sogar bis in die Nordländer hatte der starke Arm der Inquisition gereicht.
    Hexenverbrennung! Scheiterhaufen! Das alles passte nicht in die moderne Zeit, aber in der war ja alles möglich, das hörte er und las er in den Medien. Wo durchgeknallte Psychopathen schwer bewaffnet in Schulen liefen und Lehrer und Schüler töteten, war eigentlich alles möglich. Sogar das Verbrennen einer Frau als Hexe.
    Er wollte das Bild eigentlich nicht sehen, und doch musste er immer wieder hinschauen. Die Arme des Opfers waren auf groteske Art und Weise zu den Seiten hin weggestreckt, als hätten sich die verbrannten, gekrümmten Finger noch irgendwo festhalten wollen. Aus der Glut zu den Füßen der Toten schien ihn die Fratze des Teufels anzulachen wie ein böse verzerrtes Clowngesicht.
    Er bildete es sich nur ein. Aber die Tote war keine Einbildung. Sie hatte wie eine Hexe sterben sollen, und sie war wie eine Hexe gestorben, weil sie mit dem Teufel gebuhlt hatte.
    Hexen!
    Fast hätte er aufgelacht. In Anbetracht des Bildes vor ihm allerdings war ihm das Lachen vergangen.
    Nur der Begriff ließ ihn nicht los. Warum musste er immer an Hexen denken?
    Wegen der Walpurgisnacht, zu der es nicht mehr lange hin war? Das konnte sein. Es war die Nacht des 30. April. Versammlungsdatum der Hexen auf dem Brocken und erst durch Goethes Faust richtig populär geworden. Benannt war die Nacht nach der heiligen Walpurga, einer Äbtissin und Tochter eines Sachsenkönigs.
    Das war eine Sage, eine Legende. Etwas, über das der moderne Mensch lächelte. Auch er hatte das getan, doch dieses Mal würde ihm das Lächeln zu Eis gefrieren. Er dachte plötzlich anders darüber, als er den Schrecken mit eigenen Augen sah.
    Was er hier sah, das war Mord. Ja, eiskalter, brutaler Mord. Verbunden mit einer vorherigen Folter durch das Feuer, und das wollte ihm nicht in den Kopf. Er sah es als Wahnsinn an, aber er wusste auch, dass er dagegen nichts unternehmen konnte. Er war zu spät gekommen, in seinem Innern breiteten sich bohrende Vorwürfe aus.
    Wäre ich schneller gelaufen! Hätte ich nicht noch gezögert und erst gelauscht, dann wäre mir vieles erspart geblieben.
    Wieder verrann die Zeit, und der Siebenundzwanzigjährige war und blieb allein. Niemand hatte das Feuer gerochen, niemand war gekommen, um zu helfen oder zu löschen.
    Es war totenstill geworden, und er empfand die Stille als wahnsinnig bedrückend.
    Helfen konnte er nicht mehr, aber er wusste trotzdem, was zu tun war. Er musste die Polizei rufen.
    Mord war nicht seine Sache und auch nicht die der Dorfpolizisten. Aus dem nahe gelegenen London würde sich die Mordkommission auf den Weg machen müssen. Vielleicht fanden die Spezialisten ja eine Spur dieses grausamen Täters. Man las ja so viel über die neuen Profiler.
    Stan Shaw drehte sich um. Er wollte die Polizei nicht von diesem Platz aus anrufen, sondern einige Schritte weitergehen, wo er die Leiche nicht mehr vor Augen hatte.
    Bis zum heutigen Tag war Stan gern in den Wald gegangen. Er hatte überhaupt nicht daran gedacht, sich in diesem Gelände zu fürchten. Jetzt aber kam er ihm schon komisch vor. Seinem Geschmack nach hatte er sich in ein monströses Gebilde verwandelt, in dem es mehr Schatten als Licht gab. Die oft alten Bäume wirkten nicht mehr romantisch auf ihn, sondern schon bedrohlich, als wollten sie sich im nächsten Augenblick wie Kraken mit hölzernen Armen auf ihn stürzen. Der Wald verbarg ein Geheimnis, das war zu

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