1266 - Schleichende Angst
vom Brot nehmen ließ.
Für uns konnte das nur von Vorteil sein, wenn sich die schwarzmagischen Geschöpfe stritten. Wir mussten nur zusehen, nicht zwischen die Fronten zu geraten.
Ich trank endlich den Kaffee und hörte den Kommentar meines Gegenübers. »Ich dachte schon, Sie wären eingeschlafen, John.«
»Nein, nein, das auf keinen Fall. Warum sollte ich?«
»Weil Sie so in Gedanken versunken waren und den Eindruck machten, als wären Sie weit weg gewesen.«
»Tut mir Leid, Malcolm, das war ich auch für einen Moment.« Ich hob den Blick wieder und schickte ihm ein Lächeln über den Tisch hinweg. »Ich hatte nur an etwas denken müssen.«
»Kann ich verstehen. Bei unserem Job müssen die Fälle ja in den Knochen hängen bleiben oder auf der Seele kleben. Ich denke da nicht anders als Sie. Wobei Sie es sicherlich noch schlimmer haben, denn meine Gegner sind aus Fleisch und Blut.«
»Meine zum Teil auch.«
»Klar.« Er seufzte wieder und schaute sich in unserer Yard-Kantine um, die nicht eben dazu einlud, sich länger darin aufzuhalten. Aber sie war ein guter Treffpunkt, denn der Kollege Malcolm Butt wollte mit mir über ein Problem reden, für das er bei seinen Vorgesetzten kein offenes Ohr gefunden hätte.
Er hatte mir schon einiges erzählt und bat mich jetzt um eine Stellungnahme.
»Sie haben die Leiche nicht gefunden?«
»Nein, John.« Sein Blick wurde starr. »Aber ich weiß sehr gut, dass auf diesem Scheiterhaufen ein Mensch verbrannt worden ist. Das haben unsere Experten festgestellt. Demnach hat dieser Stan Shaw die Wahrheit gesagt. Da wurde jemand getötet.«
»Warum?«
»Das wissen wir nicht. Das ist einfach grauenvoll, denn so etwas deutet auf eine Hexenverbrennung hin oder Ähnliches in dieser Richtung. Und deshalb habe ich mich auch an Sie gewandt. Sie sind für diese Dinge zuständig.«
Ich runzelte die Stirn. »Für Hexenverbrennungen?«
»Nun, ja, unter anderem.«
»Wie kommen Sie dazu, es als eine Hexenverbrennung anzusehen?«
»Weil… weil es so ausgesehen hat. Menschen auf dem Scheiterhaufen, John. Das hat es früher leider oft genug gegeben, und ich will nicht, dass sich so etwas noch öfter wiederholt. Da müssten Sie mich doch verstehen können - oder?«
»Ja, das kann ich, Malcolm. Das kann ich sogar gut. Ihr Problem ist, dass Sie keine Leiche gefunden haben.«
»Genau.« Er beugte sich jetzt vor. Sein Kaffee war längst kalt geworden. »Und jetzt frage ich mich, wie so etwas hat entstehen können? Warum hat man den verbrannten Körper aus den Resten gezogen und weggeschafft? Können Sie mir das sagen?«
»Nein.«
»Ich auch nicht, John, aber Sie sind der Fachmann.« Er flüsterte jetzt, als hätte er Angst davor, dass seine Worte gehört werden konnten. »Es ist ein Fall für Sie.«
.Ich wiegte den Kopf. »Nur wegen der Verbrennung?«
»Ja, nur deswegen.« Butt deutete mit den ausgestreckten Händen auf mich. »Das sind die harten Fakten. Aber meiner Ansicht nach kommt noch etwas hinzu.«
»Was?«
»Das heutige Datum!«
Ich begriff nicht sofort und musste erst auf meine Uhr schauen. »Wir haben den letzten Tag im April…«
»Eben. Denken Sie doch nach. Gerade Ihnen sollte das Datum etwas sagen.«
Er musste nichts mehr hinzufügen, denn jetzt wusste ich, auf was der Kollege hinauswollte. »Ja, ja, Sie denken an die vor uns liegende Walpurgisnacht?«
»Richtig. An die Nacht der Hexen. An die Stunden, in denen sie tanzen und dem Teufel huldigen. Genau darum drehen sich meine Gedanken, und ich weiß, dass ich nicht allein damit stehe, sonst hätte ich mich nicht an Sie gewandt.«
»Sehr gut, Kollege. Daran habe ich im Moment nicht gedacht. Aber Sie haben Recht.«
»Eben.«
»Und dies würde auch bedeuten, dass Sie an Hexen glauben und an Dinge, die man mit ihnen in einen Zusammenhang bringt. Oder liege ich da falsch?«
»Nein, John, das liegen Sie nicht. Ich kann versichern, dass ich früher nicht daran geglaubt habe, aber heute ist das etwas ganz anderes. Ich habe mir meine Gedanken gemacht, und ich glaube fest daran, dass ich nicht so falsch liege.«
»Sie setzen den Zeitpunkt mit ein.«
»Ja. Außerdem habe ich versucht, mich kundig zu machen. In den letzten Jahren spricht man wieder mehr über Hexen. Nicht wenige Frauen bekennen sich dazu, Hexen zu sein und…«
»Moment, Malcolm. Werfen Sie nicht Erbsen und Bohnen in einen Topf. Das ist nicht gut. Es gibt Frauen, die sich Hexen nennen, das ja, aber sie sind in der Regel friedlich. Sie lassen andere
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