1266 - Schleichende Angst
haben. Für ihn war das einfach grauenvoll und nicht zu fassen. Er sollte auf diese schreckliche Art und Weise ums Leben kommen und war sich dabei keiner Schuld bewusst.
Das war einfach ein Schritt zu viel für ihn. Er wusste ja, dass die Menschen grausam waren, aber es waren immer nur die anderen gewesen und nicht die in seiner Nähe. Verbrechen und Kriege hatte er auf dem Bildschirm gesehen. Da hatten sich schreckliche Bilder in seine Erinnerung gebrannt, die ebenso schlimm gewesen waren wie der Anblick der Frau auf dem Scheiterhaufen.
Und jetzt sollte ihm das Gleiche widerfahren…
Die Körper der Frauen verschwammen vor seinen Blicken, und er merkte gleichzeitig, dass seine Knie nachgaben. Die Kreislaufschwäche war zu stark geworden, und er hörte sich noch leise seufzen, als er zusammenbrach und zwischen den Frauen liegen blieb.
»Scheiße!«
»Dieser Schlappschwanz!«
»Was machen wir mit ihm?«
»Wir schleppen ihn zum Scheiterhaufen. Aufgebaut ist er schnell. Es liegt genügend Reisig herum.«
»Okay.«
Sally Corner überraschte ihre Freundinnen mit einem Einspruch. »Ich muss noch etwas sagen. Ich denke, dass ihr beide stark genug seid, um den Kerl zum Scheiterhaufen zu schleppen…«
»Was willst du tun?«
Sally schaute Edda an. »Ich möchte mich hier ein wenig umsehen.«
»Warum? Was soll das?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Das ist ganz einfach. Ich möchte eigentlich sicher sein, dass uns niemand gefolgt ist. Das ist alles.«
Edda und Alice schwiegen, weil sie erst nachdenken mussten. »Gibt es einen Grund?«, fragte Edda schließlich.
»Nur ein Gefühl. Ich traue Stan nicht. Er hat ja mit diesem Bullen gesprochen, und ich kann mir vorstellen, dass der Bulle schon etwas unternommen hat. Wir sind ja nicht dazu gekommen, ihn zu fragen. Ihr versteht, was ich meine?«
»Noch nicht«, sagte Alice.
»Das liegt auf der Hand. Er könnte doch mit anderen Bullen telefoniert haben. Und wenn das wirklich passiert sein sollte, sähen wir nicht gut aus.«
Edda und Alice dachten nach. Edda war misstrauisch. »Du willst doch nicht kneifen?«
»Sehe ich so aus?«
»War nur eine Frage. Oder hast du deinem Mann gesagt, was wir vorhaben? Ist er vielleicht auch misstrauisch geworden, als man Nicoles Leiche gefunden hat.«
»Er weiß ja gar nicht, dass es sie ist. Wer sollte das schon erkannt haben? Die Bullen nicht. Die suchen noch immer nach dem Namen. Dass Nicole mal für ein paar Tage bei uns gewohnt hat, hat kaum jemand mitbekommen. Sie ist dann wieder gegangen. Das hat auch mein Mann akzeptiert. Er käme nie auf den Gedanken, dass sie es war, die wir verbrannt haben.«
»Sie hätte unsere Gruppe nicht verlassen sollen«, sagte Alice.
»Genau.« Sally zuckte die Achseln. »Es war mein Fehler, das gebe ich zu. Ich dachte, sie stünde auf unserer Seite. Man täuscht sich eben öfter im Leben. Weil mir dies nicht mehr passieren soll, werde ich mich etwas umschauen. Die Typen aus Oxbow haben Schiss, aber ich weiß nicht, ob dieser Bulle noch eine Karte in der Hinterhand gehalten hat. Da will ich eben auf Nummer sicher gehen.«
Alice und Edda schauten sich an. Sie dachten beide über den Vorschlag ihrer Freundin nach.
Schließlich nickte Alice. »Vor mir aus kann sie gehen. Wir kommen mit diesem Weichei schon zurecht.«
»Gut«, stimmte auch Edda zu, »ich denke, dass dies in Ordnung geht. Aber ich möchte, dass du nicht unbewaffnet losziehst.« Sie griff in die Tasche und holte die Beutewaffe hervor. »Hier, die habe ich dem Bullen abgenommen. Kannst du schießen?«
»Wenn es sein muss, immer.«
»Okay, dann verschwinde.«
Sally ging noch nicht. Sie wartete und runzelte die Stirn, weil sie nachdachte. »Was ist mit dem Scheiterhaufen? Wollt ihr warten, bis es dunkel wird oder…«
»Oder«, sagte Edda und lächelte dabei. »Wir werden ihn aufbauen und anzünden. Bis dahin ist es fast dunkel. Es wird unsere Freundinnen im Jenseits kaum stören.«
»Das meine ich auch.« Sally Corner nahm die Waffe entgegen und steckte sie ein.
Alice und Edda zerrten Stan Shaw auf die Beine. Er befand sich in einem schlechten Zustand. Er war weder richtig wach noch bewusstlos, sondern befand sich in einer Art von Dämmerzustand. Sie nahmen ihn in die Mitte und schleiften ihn weg.
Sally Corner wartete noch, bis die beiden nicht mehr zu sehen waren. Dann verließ sie den Schatten des Vans und machte sich auf den Weg…
Der Wald schwieg und war trotzdem erfüllt von zahlreichen Geräuschen, die ich mit meinen
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