1266 - Schleichende Angst
sie versuchte, mich loszuwerden, weil sie mit aller Kraft in die Höhe bockte.
Dabei schrie sie, drehte sich oder versuchte es zumindest, und ich musste mich anstrengen, um sie flach am Boden zu halten.
Dann gab sie auf.
Sehr schnell lag sie still, aber aus ihrem Mund drangen leicht knurrende Geräusche.
Ich zog meine Waffe und drückte ihr die Mündung gegen den Nacken. »Du weißt, was das ist. Eine falsche Bewegung, und es hat dich gegeben.«
Sie war erregt und atmete heftig. Aus ihren kurzen blonden Haaren strömte mir der Geruch von Spray in die Nase. Ich fand ihn irgendwie unpassend.
»Okay«, flüsterte ich, »kommen wir zur Sache.«
Sie fühlte sich noch immer überlegen und lachte geifernd.
»Du bist nicht allein«, sagte ich.
»Fahr zur Hölle, Scheißkerl!«
»Wie heißt du?«
»Sally Corner.«
Nett, dass sie mir ihren Namen gesagt hatte. »Die Frau vom Café, nicht wahr?«
»Genau!«
»Wer sind die anderen an deiner Seite?«
Ich erntete einen Blick voller Hass. Sie sah aus, als wollte sie mir ins Gesicht spucken. Ich verfolgte auch die Bewegungen der Lippen, verstärkte den Druck meiner Beretta, und genau das schien für sie die Aufforderung zu sein, etwas zu sagen, denn jetzt hielt sie sich nicht zurück.
»Die anderen wirst du nicht kennen lernen, denn du fährst schon vorher zur Hölle.«
Ich wollte sie provozieren und setzte ein überhebliches Grinsen auf. »Wer sollte das denn in die Tat umsetzen? Du vielleicht?«
»Nein!«
Die Antwort hatte echt geklungen. »Stimmt«, sagte ich, »da sind ja noch deine Freundinnen und auch Stan Shaw.«
»Genau, genau.« Plötzlich leuchteten ihre Augen. Es war so etwas wie das Signal für eine Vorfreude. »Stan Shaw wird brennen. Er wird lodern. Er wird schreien. Er wird…«
»Warum?«, fuhr ich sie an. »Was hat er euch getan? Was hat euch die Frau getan, die ihr auf den Scheiterhaufen gestellt habt? Wer ist sie gewesen?«
»Eine Verräterin. Jemand, der nicht schweigen konnte. Sie hat uns entdeckt, erwischt. Wir stellten sie vor die Wahl, mitzumachen oder es bleiben zu lassen. Sie wollte nicht, aber sie wusste zu viel, und da haben die Flammen zugegriffen.«
»War sie fremd? Oder war sie…?«
»Ja, sie war fremd. Eine aus der Stadt, die es hierher gezogen hat. Sie war auf einem Trip. Wollte wandern, allein sein. Ihr Pech, dass sie uns getroffen hat.«
»Wie hieß sie?«
»Baker. Nicole Baker.«
Es war gut, dass ich den Namen kannte. So wusste ich wenigstens, wer da gestorben war. Es war dann wichtig, herauszufinden, wo sie gelebt hatte und ob noch Verwandte leben, die es zu benachrichtigen galt. Ich war immer wieder erschüttert, dass es Menschen gibt, die einfach mit dem Leben der Mitmenschen spielen. Es war für sie nichts wert, und das zeigten sie immer wieder auf schäbige Art und Weise.
»Und jetzt soll Stanley brennen?«
»Ja.«
»Was hat er euch getan?«
»Er hat uns gesehen, wir konnten es nicht riskieren, dass er, am Leben blieb. So einfach ist die Rechnung.«
Ja, so einfach war sie. Dennoch empfand ich sie als verdammt kompliziert. Es lag an meiner Denkweise. Ich kam da einfach nicht mit. Es war zu schlimm. Ich sah das Leben eines Menschen eben anders an. Es war für mich ein hohes Gut, das man nicht einfach mit Füßen trat, aber daran dachte dieses teuflische Trio nicht.
Andererseits musste ich ihr auch Abbitte leisten. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass sie aus eigenem Antrieb handelte. Das hatte seinen Grund. Ich musste immer wieder an die Stimmen denken, die ich gehört hatte, und ich glaubte nicht daran, dass sie den drei Frauen gehörten. Nein, da gab es noch etwas im Hintergrund, das seine Fäden zog. Etwas, das mich anging.
»Warum?«, flüsterte ich ihr zu. »Warum das alles? Es muss jemand geben, der euch leitet. Ich glaube nicht daran, dass ihr aus eigenem Interesse gehandelt habt. Es muss etwas mehr dahinter stecken. Andere Mächte. Gefährliche Mächte, die euch leiten. Wer treibt euch dahin?«
Sie hatte mich angeschaut und auch jedes Wort verstanden, und sie gab mir eine Antwort. »Du kannst sie nicht fassen. Es sind die drei Geister der Hexen, die damals verbrannt wurden. Jahrhunderte liegt es zurück. Aber sie haben nichts vergessen. Sie fanden keine Ruhe. Sie waren immer da und haben es immer versucht. Aber es hat mehr als dreihundert Jahre gedauert, bis sie uns gefunden haben. Wir passten, und wir werden das tun, was man ihnen angetan hat.«
»Warum nur?«, fragte ich. »Was habt ihr
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