1269 - Julie
Ich hatte den Eindrück gehabt, einen leichten Schlag bekommen zu haben, und ich dachte dabei auch an einen elektrischen Impuls. Stand Julie unter Strom?
Ich merkte, wie mein Herz schneller schlug. Wenn es ein Strom war, dann kein normaler. Aber um das genau herauszufinden, musste ich zu anderen Mitteln greifen.
Ich holte mein Kreuz hervor. Der Wärmeschauer rann nicht über das Metall hin, was ich als etwas schade empfand. Trotzdem glaubte ich, das Richtige getan zu haben und führte meine Bemühungen fort.
Das Kreuz lag sehr schnell frei. Das Metall schimmerte matt in der Dunkelheit.
Ich brachte es in Julies Nähe, doch sie drehte nicht mal den Kopf, um sich meinen Talisman anzuschauen. Möglicherweise hatte sie ihn auch nicht bemerkt.
»Julie!«
»Stör mich nicht.«
»Nur einmal. Schau her!«
Es gefiel ihr nicht, das sah ich schon, aber sie überwand sich schließlich und drehte den Kopf.
Da sah sie das Kreuz!
Ihre Augen weiteten sich. Sie öffnete den Mund. Bestimmt wollte sie etwas sagen, doch kein Laut kam über ihre Lippen, nicht mal ein scharfer Atemzug.
Ich beobachtete das Kind und mein Kreuz. Julie runzelte die Stirn. Sie räusperte sich, ich hörte sie auch atmen, und dann merkte ich schon die innere Abwehr, die auch auf ihren Körper überging, denn sie drückte sich zurück.
»Gefällt es dir?«
Julie war verunsichert. Sie öffnete den Mund, sie wollte sprechen, aber es drangen keine Worte über die Lippen, abgesehen von einem etwas längeren Stöhnen.
Als sie die Arme hob, konnte dies zweierlei bedeuten. Entweder wollte sie etwas abwehren oder danach fassen.
Ich ging davon aus, dass sie es anfassen wollte und half ihr dabei, denn ich drückte ihr das Kreuz in die rechte Hand.
Es passierte blitzartig.
Zuerst hörte ich ihren Schrei!
Dann entstand um ihren Körper herum eine helle Aura. In ihr mischten sich das silbrige und auch ein etwas schattenhaftes Licht. Die Aura war nur für einen Moment zu sehen, dann brach sie zusammen und mit ihr auch Julie Wilson.
Platt wie ein Brett fiel sie nach hinten und blieb bewegungslos liegen…
***
Ich erschrak!
Das war der Moment, wo mir das Blut in den Kopf schoss und die Gedanken ebenfalls. Ich merkte einen leichten Schwindel, was einzig und allein an mir lag.
Es war ein Fehler gewesen! Verdammt, ich hatte es übertrieben. Ich hätte das Kreuz in der Tasche stecken lassen sollen, doch nun war es zu spät, sich darüber Gedanken zu machen. Ich hatte es nicht getan und die Folgen dieser Aktion sahen schlimm aus.
Julie war auf den Rücken gefallen und lag dort wie tot. Zum Glück hatte sie eine Lücke zwischen den Grabsteinen erwischt. So war sie mit dem Kopf nicht gegen den harten Stein geschlagen. Zudem hatte die recht weiche Friedhofserde ihren Aufprall noch abgefedert.
Ich sah das sehr blasse Gesicht, als ich neben ihr kniete. Es regte sich nichts darin. Es blieb so starr, und ich spürte, wie mein Herz schneller schlug. Das Gefühl der Panik überkam mich. Der Gedanke, etwas falsch gemacht zu haben, schnürte mir die Kehle zu, und ich suchte sofort nach dem Herzschlag des Kindes. Ja, er war da!
Mir fiel ein Stein vom Herzen. Das Kribbeln in meinen Fingern hörte auf.
Ich konnte das Mädchen normal anfassen, ohne dass etwas passierte, und mir kam der Gedanke, dass der Kontakt mit dem Kreuz sie von etwas befreit hatte.
»He, Julie, he…« Schnell und flüsternd sprach ich auf sie ein. Zugleich hörte ich Sina Franklins Stimme. Natürlich hatte die Heimleiterin alles gesehen, und jetzt, als auch sie ihren Schock überwunden hatte, konnte sie endlich Fragen stellen.
»John, was ist denn mit ihr los? Was ist da mit ihr geschehen? Ist sie tot? Haben Sie Julie…«
»Ich habe nichts getan!«, rief ich in ihre Frage hinein. »Gar nichts. Julie lebt.«
»Gott sei Dank! Soll ich kommen?«
»Nein, Sie bleiben!«
Das Areal war nicht gut für sie. Nach wie vor ging ich davon aus, dass hier etwas nicht stimmte. Ich würde es herausfinden, doch zunächst musste ich mich um das Mädchen kümmern.
Ich hatte mich über Julie gebeugt und tätschelte behutsam ihre Wangen.
Das Kind war nicht direkt bewusstlos geworden, sondern nur leicht weggetreten. In ihre Augen kam wieder das Leben oder der Ausdruck zurück. Ich bemerkte, dass sie ihre Umgebung wieder erkannte, und als Erstes sah sie mein Gesicht.
Ich wollte sie nicht erschrecken und versuchte es mit einem Lächeln. »Du brauchst keine Angst mehr zu haben«, flüsterte ich ihr zu. »Ich bin es
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